Wohnen ist Daseinsvorsorge – kein Verkauf der Nassauischen Heimstätte!

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wohnen ist ein Menschenrecht - und deshalb trägt der Staat hier eine besondere Verantwortung. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum darf nicht allein dem Markt überlassen werden.

Leider muss sich der Landtag heute erneut mit einer möglichen Privatisierung der Nassauischen Heimstätte beschäftigen, weil Teile des Landtages und auch der Finanzminister „das Betreiben einer Wohnungsbaugesellschaft nicht zu den Kernaufgaben eines Bundeslandes" zählen.

Da kann es wenig beruhigen, dass der Finanzminister erklärt, er habe eine „Heuschreckenallergie", man denke daher eher an einen öffentlich-rechtlichen Träger, der die Nassausische Heimstätte übernehmen könne und dass der Verkauf für die Mieterinnen und Mieter dann gar keine bedeutsamen Veränderungen mit sich bringen würde.

Ihr bisheriger Umgang mit der öffentlichen Daseinsvorsorge spricht doch Bände: Seit der Regierungsübernahme der CDU 1999 hat die Landesregierung die öffentliche Daseinsvorsorge immer weiter beschnitten und privatisiert.

Auf der Homepage der Staatskanzlei ist nach wie vor zu lesen, dass die Privatisierung staatlicher Aufgaben ein wichtiges Ziel sei und dass jede staatliche Leistung auf ihre Notwendigkeit und ihre Privatisierungsfähigkeit hin überprüft werden solle.

Privat vor Staat, das ist Ihre Devise, egal wie hanebüchen sich die Umsetzung dieser Losung in der Realität gestaltet. Auch die tiefe Finanz- und Wirtschaftskrise konnte daran offenbar nichts ändern.

Ich befürchte deshalb, dass Ihre Beruhigungspille gegenüber den Mieterinnen und Mietern der Nassauischen Heimstätte in der Vorweihnachtszeit reine Hinhaltetaktik war und der Verkauf im Hintergrund schon längst geplant wird. Hauptsache der Verkauf der Nassauischen Heimstätte bringt Geld ins Haus. Heuschreckenallergie hin oder her.

Meine Damen und Herren, wenn wir über den Verkauf der Nassauischen Heimstätte sprechen, dann muss man wissen, dass es sich hier um einen Bestand von 62.500 Wohnungen in über 150 Gemeinden handelt. Es leben fast 150.000 Mieterinnen und Mieter in diesen Wohnungen, und davon sind knapp 42 % Rentnerinnen und Rentner. Ein Großteil hat ein geringes Einkommen, der größte Teil unterhalb von 1.450 € im Monat.

Die Nassauische Heimstätte ist auch Arbeitgeber. Es wurden bereits 150 von den ursprünglich 700 Arbeitsplätzen abgebaut und im Falle eines Verkaufs droht weiterer Stellenabbau.

Der Verkauf dieser Wohnungen wäre für die überwiegend einkommensschwachen Mieterinnen und Mietern ein Drama. Jeder weiß doch, was nach Wohnungsverkäufen passiert.

Die jüngsten Erfahrungen zum Beispiel in Maintal haben wieder einmal deutlich gemacht:

  • dass es zu erheblichen Mietsteigerungen kommt,
  • dass teilweise Jahrzehnte dort ansässige Mieter vertrieben werden,
  • dass Räumungsklagen durchgesetzt werden, sowie
  • vermeintliche und echte Modernisierungen mit ebenfalls drastischen Mietaufschlägen durchgeführt werden.

Nach dem Verkauf der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (GWH) vor zehn Jahren haben Sie noch erklärt, dass eine große Gesellschaft gebraucht würde, um auf dem überhitzten Wohnungsmarkt weiter regulierend eingreifen zu können.

Ich frage Sie: Was hat sich denn seitdem auf dem Wohnungsmarkt geändert, dass Sie jetzt zu dem Ergebnis kommen, eine solche Gesellschaft nicht mehr zu brauchen?

Alleine die Entwicklung in Frankfurt muss Sie doch alarmieren. Mietsteigerungen bis zu 50% sind dort Normalität. Nur noch 20% derer, die einen Anspruch auf preiswerten Wohnraum haben, können versorgt werden.

Jede vierte Familie muss mehr als 40% ihres Einkommens allein für die Kaltmiete aufbringen, und nicht einmal mehr 10% der 350.000 Wohnungen in Frankfurt unterliegen einer Mietpreisbindung.

Und das alles bei stagnierenden Nettoeinkommen und Einkommensverlusten bei Beziehern von Transferleistungen, die einen großen Teil der Mieterschaft der Nassauischen Heimstätte ausmachen. Allein in Frankfurt reden wir über 16.000 Wohnungen, die sich im Besitz der Nassauischen Heimstätte befinden. Die Situation ist heute noch gravierender als Anfang des vergangenen Jahrzehnts und Sie kommen zu dem Ergebnis, keine große Wohnungsgesellschaft mehr zu brauchen. Ich sage Ihnen, dies ist eine ganz fatale Fehleinschätzung.

Mit einem Verkauf der Nassauischen Heimstätte würde sich das Land Hessen endgültig aus dem ohnehin kaum noch existenten sozialen Wohnungsbau verabschieden.

Wir lehnen Ihren falschen Weg, den Sie mit der Zerstörung der öffentlichen Daseinsvorsorge weiter voran gehen, ab. Wir sind der Meinung, dass das Angebot und der Ausbau öffentlich geförderter Sozialwohnungen sehr wohl Kernaufgabe des Landes ist. Was ist denn eine Kernaufgabe, wenn nicht diese existentielle Frage?

DIE LINKE wird sich weiter dafür stark machen, dass bezahlbarer Wohnraum erhalten und ausgebaut wird. Das ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit und die Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe aller Einwohner unseres Landes.

Die Nassauische Heimstätte sorgt aufgrund ihres Unternehmensziels für die konkrete Umsetzung des Menschenrechts auf eine Wohnung auch für einkommensschwache Menschen.

Es ist abwegig und unaufrichtig anzunehmen, dass sich für die Mieterinnen und Mieter nichts ändern würde, wenn ein privater Käufer die Landesanteile der Nassauischen Heimstätte übernähme. Er wird den Kaufpreis und die anfallenden Zinsen auf die Mieten umlegen und er wird wie jeder Unternehmer Renditen aus seiner Anlage ziehen wollen.

Das heißt konkret: Einnahmesteigerungen auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Preiswerter Wohnraum steht bei diesem Vorhaben im Wege.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben schon im Kommunalwahlkampf 2011 keinen Hehl daraus gemacht, dass Sie die Nassauische Heimstätte als eine der drei „veräußerbaren Ressourcen" des Landes ansehen.

Wir fordern Sie auf: Kehren Sie um. Bekennen Sie sich zum Erhalt und zum Ausbau der Nassauischen Heimstätte in öffentlicher Hand und beenden Sie ein für allemal die Spekulationen um den Verkauf der Nassauischen Heimstätte und die ständige Verunsicherung bei den Mieterinnen und Mietern! Einzig der Erhalt, die Stärkung und der Ausbau von öffentlichen Wohnungsbeständen werden langfristig dazu beitragen, preiswerte Mieten für Menschen mit geringen Einkommen zu garantieren. Sorgen Sie für einen Neueinstieg in den sozialen Wohnungsbau, der sich an den heutigen Wohn- und Lebensbedürfnissen orientiert.

Wenn Herr Lenders in der letzten Plenarsitzung behauptet, die öffentliche Daseinsvorsorge in Bezug auf den Wohnungsbau gehöre in die Fünfziger- und Sechzigerjahre und sei nicht mehr aktuell, so ist das grundfalsch. Was hat sich denn im Grundsatz geändert seit dem? So lange Menschen in Wohnungen wohnen und dafür Miete bezahlen – und ich gehe davon aus, dass dies noch eine ganze Weile so sein wird -, bleibt der soziale Wohnungsbau eine Notwendigkeit und eine öffentliche Aufgabe.

Denn was wir gerade in den Ballungsräumen brauchen ist eine Wohnungspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Profitinteressen von Maklern und Investoren.

Abschließend noch ein paar Worte an die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion: Auch Sie wenden sich gegen den drohenden Verkauf der Nassauischen Heimstätte und das finden wir gut und richtig. Aber es hat sich doch schon im Herbst 2010 abgezeichnet, dass die Schuldenbremse als Begründung für jeden erdenklichen Sozialabbau und auch für die Privatisierung der Nassauischen Heimstätte benutzt werden würde.

Vor der Abstimmung über die Schuldenbremse haben der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Mieterbund Hessen genau auf diese Gefahr hingewiesen und auch vor diesem Hintergrund eindringlich vor der Zustimmung zur sogenannten Schuldenbremse gewarnt.

Mit Ihrem Einsatz für die Schuldenbremse haben Sie einer Argumentation Vorschub geleistet, die heute alle möglichen sozialen Errungenschaften wie zum Beispiel den sozialen Wohnungsbau den vermeintlichen Zwängen des Haushalts opfert.

Wir haben damals gesagt und wir sagen es heute: die Schuldenbremse wird zur Legitimation von Sozialabbau genutzt werden. Gerade weil Kürzungen auch in anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge drohen, ist es so wichtig, die Nassauische Heimstätte in öffentlichem Besitz und mit einem klaren sozialpolitischen Ziel zu erhalten.

Der Verkauf der Nassauischen Heimstätte würde einen weiteren Großkonflikt in Hessen bedeuten und ich bin zuversichtlich, dass die Landesregierung dabei den Kürzeren ziehen würde.

Die Menschen glauben Ihren Versprechen in Bezug auf Privatisierungen nicht mehr, sie haben zu viele schlechte Erfahrungen mit privatisierten Krankenhäusern, Stadtwerken und Wohnungsgesellschaften gemacht.

Es gab in der Vergangenheit einige sehr erfolgreiche Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wohnungsbaugesellschaften. In Freiburg stimmten im Jahr 2006 70% und in Heidelberg 2008 83 % für den Erhalt der städtischen Wohnungen und gegen deren Privatisierung.

Ich bin sicher, dass die Ablehnung einer Privatisierung der Nassauischen Heimstätte in Hessen ähnlich hoch wäre, deshalb sollte sich der Landtag klar zum Erhalt der Nassauischen Heimstätte im Landesbesitz einsetzen.