15 Jahre CDU-geführte Landesregierung waren keine guten Jahre

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

15 Jahre CDU-geführte Landesregierung waren für die Menschen in Hessen keine guten Jahre. Roland Kochs Leuchtturmprojekte stürzen in sich zusammen. Durch den einen Flughafenausbau haben Sie eine ganze Region verlärmt, an dem anderen Flughafen hebt kein Flieger ab. Die Privatisierung des Uniklinikums ist ein Desaster, und die EBS ist fast pleite. Die Einführung von G 8 ist auf ganzer Linie gescheitert, und die „Operation düstere Zukunft“ hat die soziale Infrastruktur in Teilen zerstört und kulturellen Initiativen die Arbeit erschwert. Die Kommunen in Hessen sind chronisch unterfinanziert und werden durch den sogenannten Kommunalen Schutzschirm gezwungen, harte Kürzungsmaßnahmen durchzusetzen, wie Bibliotheken, Jugendzentren und Schwimmbäder zu schließen. Bei der Energiewende liegt Hessen im Bundesländervergleich weit hinten, weil die großen Energiekonzerne mit der Hessischen Landesregierung noch immer eine treue Verbündete haben. Ihre Regierungszeit ist geprägt von Skandalen, von Vetternwirtschaft, Stellenbesetzung nach Parteibuch, Mauscheleien bei der EBS, Wortbruch beim Nachtflugverbot und die Psychiatrisierung unbequemer Steuerfahnder. Meine Damen und Herren, diese Landesregierung tut so, als sei Hessen das Land der Glückseligen, und zeichnet ein rosarotes Bild von Hessen, zu dem alle Ja sagen. Sie zeichnen auch ein rosarotes Bild von der Lage am Arbeitsmarkt.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

– Ob 96 % der Hessinnen und Hessen sich wegen oder trotz der Landesregierung in Hessen wohlfühlen, das ist die Frage, Frau Lannert.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung tut so, als sei auf dem Arbeitsmarkt alles in Ordnung. Dabei hat gerade die „FAZ“ im Dezember eine Liste von bundesweit 68 Unternehmen veröffentlicht, die aktuell einen Stellenabbau von mehr als 200 Beschäftigten in Deutschland vollzogen oder für die nächste Zeit angekündigt haben. Auf dieser Liste stehen erschreckend viele hessische Unternehmen, ganz oben natürlich Schlecker; da sind in Hessen 2.000 Arbeitsplätze weggefallen. Auf Platz 3 folgt Neckermann mit über 3.000 Arbeitsplätzen. Auf der Liste stehen Lufthansa trotz des angeblichen Jobmotors Frankfurter Flughafen, der Offenbacher Druckmaschinenhersteller manroland, Opel, Merck, Clariant, HP, das Solarunternehmen SMA sowie eine ganze Reihe Banken mit Sitz in Frankfurt, darunter die Deutsche Bank, Sal. Oppenheim, Union Investment, die Landesbank HessenThüringen. Auch das Uniklinikum Gießen-Marburg steht auf dieser Liste. Da fehlen noch einige, weil die Commerzbank noch dieses Jahr zusätzlichen Stellenabbau ankündigte, Infraserv, Vodafone und auch Praktiker, wo jetzt Stellen wegfallen werden. Da frage ich Sie: Was hat der Ministerpräsident, was hat der Wirtschaftsminister – er ist jetzt nicht da –, was haben die eigentlich dafür getan, um diese Arbeitsplätze zu behalten? – Leider herzlich wenig. Ich erinnere mich, wie die Beschäftigten von manroland vor der Staatskanzlei standen und dort für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert haben, aber der Ministerpräsident es nicht für nötig hielt, vielleicht einmal herauszukommen und mit den Beschäftigten zu sprechen. Ich finde, das ist ein Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land, der des Ministerpräsidenten überhaupt nicht würdig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt sich um die realen Probleme im Land zu kümmern und dorthin zu fahren, wo die Menschen der Schuh drückt, macht der Ministerpräsident eine Sommerreise, bei der man sich fragt, ob das noch Wahlkampf oder schon Urlaub ist: Schiffchen fahren auf dem Edersee, Sommerrodeln und der hessischen Brauchtumspflege huldigen. „Hessen bleibt locker“, plakatieren Sie. Aber angesichts von 300.000 Niedriglöhnern, einer wieder zunehmenden Verschärfung auf dem Ausbildungsmarkt und einer zunehmenden Kinder- und Altersarmut bin ich der Meinung, dass die Botschaft „Hessen bleibt locker“ bei diesen Menschen durchaus zynisch ankommen kann. Was bei denen locker ist, sind ihre Beschäftigungsverhältnisse, und darüber machen sie sich Sorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen einen Politikwechsel in Hessen, und das wird nicht ohne Mehreinnahmen für den Landeshaushalt gehen. Angesichts der Tatsache, dass durch die Steuerpolitik der letzten Jahre, die als eine ständige Umverteilung von unten nach oben stattgefunden hat, die Reichsten in diesem Land selbst in der Krise noch reicher geworden sind, ist es höchste Zeit, über Umverteilung nicht nur zu reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Landesregierung hat im Bundesrat allen Steuersenkungen zugestimmt. Das heißt, Sie sind natürlich mitverantwortlich für die Misere der öffentlichen Haushalte. Wir sind der Meinung, dass sich die Menschen, die mit den dicksten Autos auf den öffentlichen Straßen fahren und die in öffentlich finanzierten Theatern und Opern immer in der ersten Reihe sitzen, stärker an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie dürfen sich dem auch nicht entziehen, indem sie ihr Geld in die Schweiz oder sonst wohin bringen. Wir wollen eine sozial gerechte Steuerpolitik. Wir wollen hohe Ein kommen und Vermögen stärker besteuern. Wir wollen Unternehmensgewinne stärker besteuern, und wir wollen kleine und mittlere Einkommen entlasten.

(Alexander Bauer (CDU): Reichtum für alle!)

– Ja, das klingt so ähnlich wie Ludwig Erhards: „Wohlstand für alle“. – Herr Bauer, denken Sie einmal darüber nach, wer eigentlich der Erfinder dieses Spruches ist. Das ist nämlich Ihre Tradition.

(Beifall bei der LINKEN)

In Zeiten der sozialen Marktwirtschaft, auf die Sie sich gern berufen, galt durchaus der Grundsatz, dass es nicht klug ist, wenn die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinandergeht. Da ging es schon um Wirtschaftskonzepte, die der gesamten Gesellschaft dienen sollten und nicht nur einem kleinen Prozentsatz oben. Denken Sie einmal darüber nach.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Hessen braucht Mehreinnahmen, um seinen Aufgaben nachzukommen. Hessen braucht dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Viele Menschen geben mehr als 50 % ihres Gehalts für die Miete aus und wohnen trotzdem viel zu beengt. Betroffen sind Familien, Studierende, Normal- und Geringverdiener, die zunehmend aus den Innenstädten vertrieben werden, weil sie die Mieten nicht mehr zahlen können. Herr Hahn, ich finde es schon zynisch, wenn Sie als stellvertretender Ministerpräsident diese Sorgen und Nöte mit den Worten kommentieren, es sei ja nicht Aufgabe der Landesregierung, allen Menschen in der Rhein-Main-Region eine bezahlbare Wohnung zur Verfügung zu stellen und dafür zu sorgen, dass sie eine haben. Dann verweisen Sie die besorgten Mieter darauf, dass es in Karben jede Menge bezahlbaren Wohnraum gebe. In Ihrer Berechnung ist natürlich nicht enthalten, dass es vielleicht Fahrkosten gibt, die dann anfallen, dass es vielleicht für Eltern nicht ganz einfach ist, weil es kein vernünftiges Betreuungsangebot mit langen Öffnungszeiten gibt.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Aber das gibt es bei uns!)

– Aber Sie haben nicht die Arbeitsplätze in Karben, um in Frankfurt innenstadtnahe Stadtteile nach Karben umzusiedeln, damit sie dort niedrigere Mieten zahlen. Wo Sie die alle mit Arbeit versorgen wollen, das können Sie mir einmal zeigen. Die Landesregierung hat den sozialen Wohnungsbau an die Wand gefahren. Jährlich fallen 3.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Die gehen dem sozialen Wohnungsbau verloren. „Privat vor Staat“ ist Ihr Motto. Sie wollten die Nassauische Heimstätte verkaufen, weil Sie sagen: Wohnungsbau ist keine Kernaufgabe des Staates. – Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass es gelungen ist, das zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Versorgung der Menschen mit Wohnraum ist zu wichtig, um es allein dem Markt zu überlassen. Auch bei studentischem Wohnraum sieht es in Hessen schlecht aus. Hier liegt Hessen im Bundesländervergleich auf dem drittletzten Platz. Deswegen wollen wir, dass Hessen der Verantwortung endlich nachkommt und mehr bezahlbaren Wohnraum schafft – 4.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, 2.000 Wohnungen für Studierende. Geben Sie den Kommunen endlich wieder ein wirksames Instrument an die Hand, dass sie Leerstände bekämpfen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen Umverteilung für gute Bildung. Ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz reicht nicht aus. Er muss auch in der Praxis umgesetzt werden. Die Menschen sind es leid, dass permanent Land, Bund und Kommunen sich gegenseitig die Schuld zuschieben, wer verantwortlich ist. Was wir brauchen, sind mehr Kitaplätze und Lösungen für diese Probleme. Das Ziel muss sein, dass es ein flächendeckendes und kostenloses Angebot von Kitaplätzen gibt und dass wir auch im Bereich der Schulen zu einem ganztägigen Betreuungsangebot kommen. Wir wollen die Ganztagsschulen ausbauen. Da liegt Hessen weit zurück. Im Bereich der Grundschulen gibt es gerade einmal 20 echte Ganztagsschulen von 1.000 Grundschulen. Ich denke, dass deswegen der Ausbau der Ganztagsschule eine ganz entscheidende Aufgabe für die nächsten Jahre ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen G 8 vollständig abschaffen und unterstützen daher die Volksinitiative Pro G 9. Vor allem wollen wir eine bessere Ausstattung der Grundschulen. Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben nach wie vor einen Unterrichtsausfall von geschätzten 100 Stunden pro Woche, auch wenn Sie davon reden, dass es den nicht mehr gäbe.

(Lachen bei der CDU und des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

– Sie können sich ja gern zu Wort melden und das widerlegen. Ich war gerade die Woche an einer Schule, wo mir die Menschen sagten, dass bei ihnen die Vertretungspläne jeden Tag vier bis fünf Seiten lang waren und dass permanent Unterricht ausfällt.

(Manfred Pentz (CDU): Sie waren an einer Schule in Baden-Württemberg!)

– Sie können sich gern zu Wort melden. – Ich bin der Meinung, dass man die Schulen besser ausstatten muss, wenn man es mit Inklusion ernst meint, weil Inklusion nicht zum Nulltarif geht. Dazu braucht man Sozialpädagogen und Schulsozialarbeit. Inklusion ist ein Menschenrecht, und Menschenrechte dürfen nicht unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen die Hochschulen besser finanzieren; die platzen aus allen Nähten. Ihr hochschulpolitischer Sprecher, Herr Dr. Müller, hat letzte Woche gesagt, wie er das am liebsten regeln würde, nämlich durch die Wiedereinführung von Studiengebühren. Das wollen wir explizit nicht, weil wir es für sozial zutiefst ungerecht halten. Wir wollen gute Arbeit für Hessen. Deswegen wollen wir die Vergabe öffentlicher Aufträge endlich an die Tariftreue und an einen Mindestlohn binden. Wir wollen, dass die hessischen Beamtinnen und Beamten im Landesdienst nicht weiter ohne Lohnausgleich länger arbeiten müssen als in anderen Bundesländern. Diese Arbeitszeitverlängerung wollen wir zurücknehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen höhere Einnahmen, um die Kommunen für eine bessere Infrastruktur auszustatten, insbesondere für den Ausbau des ÖPNV. Dafür müssen die starken Schultern in dieser Gesellschaft einen größeren Beitrag leisten. Deswegen brauchen wir endlich eine andere Steuerpolitik. Vizepräsidentin Ursula Hammann: Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede. Janine Wissler (DIE LINKE): Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir brauchen einen Politikwechsel in Hessen. Deswegen unterstützen wir auch die Demonstration des DGB am Samstag in Frankfurt für einen Politikwechsel. In Hessen ist aber DIE LINKE nötig – zum einen arithmetisch, weil es so aussieht, als könnte nur der Einzug der LINKEN eine schwarz-gelbe Mehrheit verhindern, Vizepräsidentin Ursula Hammann: Bitte letzter Satz. Janine Wissler (DIE LINKE): vor allem aber politisch, weil Rot-Grün Druck von links braucht und nicht ausschließlich Druck von rechts.

(Beifall bei der LINKEN)