Landesregierung betreibt Verkehrspolitik wie ein Geisterfahrer

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Man kann es wirklich nicht anders sagen: Diese Landesregierung betreibt Verkehrspolitik wie ein Geisterfahrer. Deshalb ist es gut, dass wir hier heute einmal mehr über die Verkehrspolitik reden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben diese Aktuelle Stunde zur Verkehrspolitik beantragt und zählen auf: Kassel-Calden, Blitzer-Warnschilder und die Pkw-Maut. Ehrlich gesagt, ich finde, dass die dramatischste verkehrspolitische Fehlentscheidung dieser Landesregierung in Ihrer Aufzählung fehlt, nämlich der Ausbau des Frankfurter Flughafens.

(Beifall bei der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kommt heute Nachmittag!)

Wir haben immer gesagt, dass der Ausbau des Flughafens nicht raumverträglich ist, und fühlen uns durch das Urteil des VGH darin bestätigt. Durch den Bau der neuen Landebahn hat der Lärm dramatisch zugekommen; erst vorgestern gab es in Flörsheim erneut einen Wirbelschleppenschaden. Deswegen muss diese falsche Entscheidung korrigiert werden. Wir unterstützen die Forderung der Bürgerinitiativen, und wir wünschen ihnen viel Erfolg bei der Demonstration am kommenden Samstag in Wiesbaden.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt sich um die Bekämpfung des Fluglärms zu kümmern, lässt der Minister lieber Warnschilder vor Blitzern aufstellen. Dabei sind sich fast alle einig, dass es sich hierbei um eine Schnapsidee handelt. Ob es nun Verkehrswissenschaftler, die Gewerkschaft der Polizei oder die Vertreter der Städte und Kommunen sind: Alle lehnen das ab. Die Gewerkschaft der Polizei schrieb in einer Pressemitteilung, der Verkehrsminister hinterlasse „den Eindruck, von Verkehrssicherheit nicht wirklich viel zu verstehen“. Das Ergebnis ist klar: Raser werden vor den Blitzern kurz abbremsen und danach wieder Vollgas geben. Da könnten Sie auch gleich Schilder mit der Aufschrift „Hier können Sie trotz Geschwindigkeitsbegrenzung ungestraft rasen“ aufstellen. Dann könnte man auch in U-Bahnen davor warnen, dass an der nächsten Haltestelle Kontrolleure einsteigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat auch Ministerpräsident Bouffier die Verkehrspolitik für sich entdeckt und fordert eine Pkw-Maut für Ausländer. Ich stelle fest, die Hessen-CDU findet wirklich immer einen Weg, Ausländer zum Wahlkampfthema zu machen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei wissen Sie, ebenso wie Horst Seehofer, ganz genau, dass es europarechtlich überhaupt nicht möglich ist, eine Maut einzuführen, die Inländer nicht zahlen müssen. Die Regeln der EU verbieten eine derartige Diskriminierung. Entweder wird eine allgemeine Maut eingeführt oder gar keine. Sie beklagen, dass Deutsche in manchen anderen Ländern Maut zahlen, verschweigen aber, dass dort alle Maut zahlen müssen, nicht nur die Deutschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass Sie diesen Vorschlag jetzt, kurz vor der Wahl, trotzdem ins Gespräch bringen, zeigt, dass es Ihnen überhaupt nicht um die Maut geht. Sie wollen vielmehr davon ablenken, dass die Infrastruktur einschließlich des Straßennetzes chronisch unterfinanziert ist. Es gibt einen enormen Investitionsstau bei allen Verkehrswegen, gerade beim öffentlichen Verkehr. Dafür benötigte die öffentliche Hand mehr Geld. Darüber wollen Sie nicht reden. Herr Minister, deshalb kommen Sie mit dem Argument, dass die Ausländer unsere Straßen kaputt fahren.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich denke, im Fall von Horst Seehofer sollte man sich den Rat des Satiremagazins „Extra 3“ zu Herzen nehmen, der lautet: „Widerspreche nie Horst Seehofer. Warte eine Woche, dann tut er es selber“.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Maut wird nicht kommen. Die Kanzlerin hat klargestellt, dass es mit ihr keine Maut geben wird. Mutti hat ein Machtwort gesprochen. Man könnte auch sagen: Mutti hat Volker zum Horst gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen wir zu dem Millionengrab Kassel-Calden: Da bestätigen sich leider die Warnungen, die seit den ersten Plänen für den Ausbau ausgesprochen wurden. 270 Millionen € an Landesmitteln sind für diesen Flughafen zur Verfügung gestellt worden. Das Defizit für seinen Betrieb soll bis 2018 pro Jahr 8 bis 10 Millionen € betragen. Das FDPgeführte Verkehrsministerium macht also in Calden vor, wie sich der Staat als unfähiger Unternehmer betätigt und Steuergelder in den Sand setzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die EU-Kommission ist übrigens gerade dabei, eine neue Richtlinie für Regionalflughäfen zu erarbeiten. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass es in Europa deutlich zu viele Regionalflughäfen gibt – nämlich 460 – und dass sie fast alle defizitär arbeiten. Deshalb will der EU-Wettbewerbskommissar gegen die staatlichen Zuschüsse für diese Flughäfen vorgehen, wenn diese nicht innerhalb von zehn Jahren schwarze Zahlen schreiben. Kassel-Calden könnte also wegen Verzerrungen im europäischen Wettbewerb geschlossen werden, und das hätte dann die FDP zu verantworten.

(Beifall bei der LINKEN)

Für all die Millionen gibt es dann drei Linienflüge pro Woche. Anderswo streiten wir über ein Nachtflugverbot; in Kassel-Calden könnte man ohne Probleme an vier von sieben Tagen ein Tagflugverbot verhängen. Es würde niemand merken. Vizepräsident Frank Lortz: Frau Kollegin Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen. Janine Wissler (DIE LINKE): Außerhalb von Hessen wird sicherlich darüber geschmunzelt. Ich glaube aber, in Kassel, wo gerade die Schwimmbäder geschlossen werden sollen, wird nicht darüber geschmunzelt. Herr Minister Hahn, wenn Sie dann noch davon sprechen, dass diese Probleme mit der nordhessischen Mentalität zusammenhängen, muss ich sagen: Das ist ein schlechter Witz.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir denken, es gibt viele gute Gründe, diese Landesregierung abzuwählen. Die Verkehrspolitik ist einer davon. Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die sich an den Menschen orientiert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Minister Jörg-Uwe Hahn: Ich weiß, wovon ich rede!)