Rede zur flächendeckenden Versorgung mit Breitbandnetzen
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich stelle fest: Über die Notwendigkeit einer möglichst flächendeckenden Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandnetzen herrscht zumindest den Worten nach in diesem Haus Einigkeit. Ich denke, gerade jetzt, wo wir einen Internetlivestream der Landtagssitzungen haben, sollten wir alle ein Interesse daran haben, dass die Menschen überall in Hessen dieser Debatte in Bild und Ton folgen können, dass das in einer guten Qualität geschieht – zumindest was die technische Seite angeht.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, wenn man den Breitbandausbau alleine dem Markt überlässt, dann werden sich private Anbieter auf die Ballungsgebiete konzentrieren, und der ländliche Raum wird abgehängt. Das ist, was wir im Moment erleben. Ja, Breitbandversorgung ist auch ein Standortvorteil. Sie ist auch wichtig für die Wirtschaft, wie CDU und FDP richtigerweise in ihrem Antrag schreiben. Breitbandversorgung und damit der Zugang zu Informationen ist aber mehr als ein Standortvorteil. Es gehört heute zur Grundversorgung, und ich finde es wichtig, das immer wieder zu betonen. Wie die flächendeckende Breitbandversorgung tatsächlich erreicht werden soll, wann sie erreicht werden soll, bleibt aber leider immer noch unklar. Erst hieß es: bis 2010. Das hat nachweislich nicht geklappt. Die Regierungsfraktionen haben dann Ende 2011 das Ziel verkündet, bis 2014 im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung mindestens 75 % aller hessischen Haushalte einen HochleistungsBreitbandinternetanschluss zugänglich zu machen. Davon kann man in Ihrem momentanen Antrag nichts mehr lesen. Von 21 hessischen Landkreisen arbeiten aktuell vier am Aufbau von leistungsfähigen Hochgeschwindigkeitsnetzen. 14 verfolgen die Umsetzung, schreiben Sie in Ihrem Antrag. Herr Staatssekretär, wenn man seine Ziele verfehlt, ist das ein Grund, vielleicht einmal über die Strategie nachzudenken. Hessen ist nicht beispielhaft, wie Sie sagen, für den Breitbandausbau. Wenn Hessen beispielhaft ist, dann eher als Beispiel für Bad Practice.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn Sie sagen, der Breitbandausbau ist so dimensioniert, dass das Land Hessen mit der Förderung finanziell überfordert wäre, dann kann ich Ihnen nur zustimmen. Der bundesweite Ausbau des Glasfasernetzes würde Schätzungen zufolge an die 80 Milliarden € kosten. Hessens Anteil daran ließe sich schätzen, wenn man die Bevölkerungszahl und die Siedlungsstruktur bedenkt. Im Moment zeigt sich, dass das zur Verfügung gestellte Geld überhaupt nicht ausreicht. Wenn wir in Zukunft über die Themen Schuldenbremse oder weitere Steuersenkungspolitik reden, wie die FDP das immer tut, dann wird es immer schwieriger, mit Mitteln der öffentlichen Hand das Breitband auszubauen. Im letzten Jahr haben Sie sich noch dafür feiern lassen, dass Sie 5,7 Millionen € bereitgestellt haben – eine geradezu lächerliche Summe angesichts der Investitionen, die nötig sind. Ich kann feststellen, dass Sie schrittweise der Realität etwas näher kommen, aber leider immer noch sehr weit davon entfernt sind. Meine Damen und Herren, die Einzigen, die in nennenswertem Umfang in Breitband- und insbesondere Glasfaserausbau investieren, sind, wie es zu erwarten war, nicht die privaten Telekommunikationsunternehmen, sondern es sind die Stadtwerke. Aber gegen die Stadtwerke hegt die Landesregierung leider einen offen zutage getretenen Groll. Die CDU und insbesondere die FDP sehen in kommunalen Betreibern vor allem einen Konkurrenten der privaten Anbieter. Deshalb wollen sie Stadtwerken keine Beteiligungsmöglichkeiten einräumen, obwohl sich die Privaten am Markt oftmals überhaupt nicht blicken lassen. Wir erleben im Breitbandbereich ein klassisches und ausgeprägtes Marktversagen. Das ist auch leicht zu erklären, wenn man sich anschaut, welches Investitionsvolumen hier nötig ist und wie wenig sich die Nachfrage berechnen lässt. Die teure Verlegung von Rohren kann sich leicht als Millionengrab erweisen. Da die Privaten natürlich mit Amortisierungszeiträumen von wenigen Jahren rechnen, ist das ganze Geschäftsfeld für sie insbesondere im ländlichen Raum einfach nicht interessant. Herr Arnold, Sie haben heute wieder ausgeführt, Private sollten es dort machen, wo es sich rechnet; und wo es sich nicht rechnet, solle es dann der Staat oder die öffentliche Hand machen. Ich will an dieser Stelle sagen: Das halten wir für grundfalsch. Wir halten es für grundfalsch, wenn die Privaten die Gewinne einstreichen und die öffentliche Hand auf den Kosten sitzen bleibt und die Verluste tragen muss.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist vollkommen logisch. Die Post braucht die Gewinne, die sie beispielsweise in Frankfurt macht, um gewährleisten zu können, dass auch auf den Halligen die Post zugestellt wird. Denn alleine von den Halligen wird man Postdienstleistungen nicht finanzieren können. Das Gleiche gilt für Breitband. Deswegen finde ich das Rosinenpicken von privaten Anbietern ein Problem. Man muss die privaten Anbieter dazu verpflichten, flächendeckend für ein hochwertiges Breitbandangebot zu sorgen.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt hat die Telekom angekündigt, in den kommenden drei Jahren 6 Milliarden € in breitbandige Netze und Produkte zu investieren. Das ist eigentlich eine tolle Sache, könnte man denken; denn die Telekom hat 2010 einen Gewinn vor Steuern von 18,4 Milliarden € gemacht. Was liegt da näher und wäre wünschenswerter, als dass sie wenigstens einen Teil dieses Geldes in Investitionen anlegt, die allseits für wünschenswert gehalten werden?
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau!)
Das Problem ist dabei, dass die Telekom anders als seinerzeit die Post, die die Telefonkabelnetze verlegt hat, eine Aktiengesellschaft ist. Deshalb ist sie geradezu dazu verpflichtet, so viel Geld einzunehmen wie möglich. Deswegen gibt es zu Recht die Sorge, dass sie ihr altes staatliches Monopol jetzt als Privatmonopol wieder in vollem Umfang aufbaut und dann ihre Kunden schröpft. Herr Arnold, ich fand das schon interessant an Ihren Ausführungen; denn Sie haben wörtlich gesagt, Sie wollen nicht, dass der Marktführer den Wettbewerb konterkariert. Aber Ziel eines Unternehmens im Wettbewerb ist doch, sich am Markt durchzusetzen und andere zu verdrängen. Dieser Konzentrationsprozess ist doch gerade im Wettbewerb angelegt. Ein erfolgreiches Unternehmen im Wettbewerb ist doch ein Unternehmen, das Marktführer ist und das am Ende eine marktbeherrschende Stellung herausarbeitet. Ich finde deswegen, dass Sie das Problem zwar richtig beschreiben. Aber das kommt doch davon, wenn man Märkte liberalisiert, wie es bei der Energieversorgung gemacht wurde, bei der Telekommunikation, und die Staatsmonopole dann einem sogenannten Wettbewerb aussetzt, der gar nicht existiert. Es ist ein Scheinwettbewerb, der gerade im Bereich Telekommunikation und Energie erzeugt wird durch die Bundesnetzagentur, durch staatliche Regulierung, die letztlich einen Wettbewerb vortäuscht. Deswegen bringen Sie das ganze Dilemma von Wettbewerb im Bereich der netzgebundenen Infrastruktur eigentlich gut auf den Punkt Ihrer Rede. Aber Sie ziehen daraus nicht die richtigen Schlüsse. Sonst erklären Sie sich gern als Vorreiter der wirtschaftlichen Modernisierung; jetzt warnen Sie vor einer neuen Technik, die unbestritten, volkswirtschaftlich gesehen, große Vorteile bringen würde. Das Problem ist, dass das sogenannte Vectoring dann auf den letzten Metern zum individuellen Kundenanschluss ein Monopol zementiert. Dabei schätzt die Telekom, dass das gerade Kostensenkungen bringen könnte, dass der landesweite Vectoringausbau, mit dem sich Leistungssteigerung erzielen ließe, nur 5 bis 6 Milliarden € kosten würde, was eine riesige Einsparung wäre. Vectoring basiert auf Kupferkabeln und kann deren Datenübertragungskapazität enorm erhöhen. Das ist eigentlich eine gute Sache. Das Problem ist nur, dass das aufgrund von Eigentumsverhältnissen im Markt zum Schreckgespenst wird. Ich finde es auch bemerkenswert, dass CDU und FDP nun davor warnen, dass Investitionen im Glasfasernetz entwertet werden könnten. Wenn Sie sich die ökonomischen Lehrbücher noch einmal zu Herzen nehmen würden, deren Prinzipien Sie sonst immer gern zitieren, dann würde Ihnen auffallen: Investitionen sind natürlich immer mit Unsicherheiten belegt. Die Gewinne der Unternehmen werden genau dadurch gerechtfertigt, dass sie das unternehmerische Risiko eingegangen sind. Wenn andere Marktteilnehmer eine bessere Technik präsentieren, billiger und besser sind, dann werden Investitionen in überkommene Technik eben entwertet. Das ist dann eben so. So argumentieren Sie auch im Regelfall. Nur machen Sie hier einen logischen Bruch. Dass sich das als Problem erweist und sich volkswirtschaftlich als eine Verschwendung darstellt, das wissen wir schon lange. Deswegen, finde ich, muss man einmal überlegen, ob überhaupt Wettbewerb das geeignete Steuerungsinstrument ist, wenn es um öffentliche Daseinsvorsorge und um öffentliche Infrastruktur geht.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Immer besser!)
– Ja, ja, es funktioniert gerade nicht, Herr Arnold. – Der VKU, der Verband kommunaler Unternehmen, stellt fest, unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen im Telekommunikationsmarkt wäre ein flächendeckendes Kupfertelefonnetz wie in Deutschland nie entstanden. Recht hat der VKU. Richtig, wir hätten einen Großteil der Infrastruktur, die wir heute haben, nicht. Wenn man den Aufbau der Telefonleitungen, den Aufbau von Eisenbahnschienen, das alles dem Markt überlassen hätte, dann hätte das an der Stelle so überhaupt nicht funktioniert. Wenn man merkt, dass der Markt das nicht regelt, muss man die Frage diskutieren, ob Wettbewerb das richtige Instrument ist. Deshalb halten wir es für dringend notwendig, dass Breitband Eingang in die Universaldienste findet. Wir haben im Bundestag bereits 2008 beantragt, dass man die Unternehmen gesetzlich zur flächendeckenden Versorgung mit Breitbandanschlüssen verpflichten muss. Dabei geht es nicht nur um Wirtschaft und Unternehmen, sondern es geht um demokratische Teilhabe, die den Zugang zu Informationen voraussetzt. Ich komme zum Schluss. In Hessen gilt natürlich besonders: Lassen Sie die Stadtwerke endlich von der Leine. Die könnten Synergiemöglichkeiten zum Tragen bringen. Sie könnten Regionen versorgen, in denen sie verankert sind. Deswegen muss die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen an der Stelle auch erleichtert werden. Das gilt nicht nur für den Bereich der Energie, sondern auch für den Bereich der Breitbandversorgung. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)