Das war keine Regierungs- sondern eine Bankrotterklärung!

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Frau Ministerin, ich stelle fest, dass das keine Regierungserklärung, sondern eine Bankrotterklärung einer Ministerin war.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des
Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))


Zugegeben, es ist so, dass es viel gibt, womit sich die Wissenschaftsministerin nach dieser Legislaturperiode wird rühmen können. Angesichts des Ansturms der Studierenden kommt von den Hochschulen vor allem Kritik. Sie sind völlig unterfinanziert und kommen kaum noch über die Runden. Die Studierenden sind wegen der überfüllten Hörsäle genervt. Sie sind genervt, weil es kaum Wohnheimplätze gibt. Die Gewerkschaften kritisieren die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an den Hochschulen.

Frau Ministerin, Ihre sogenannten Leuchtturmprojekte stürzen allesamt in sich zusammen. Die vermeintliche Eliteuniversität, die European Business School, die Sie mit 24 Millionen € Landesgeldern gefördert haben, zweckentfremdet fröhlich die Landesmittel und steht trotzdem kurz vor der Pleite. Während die öffentlichen Hochschulen chronisch unterfinanziert sind, werfen Sie der EBS Millionen Euro an Steuergeldern geradeso in den Rachen. Zur EBS haben Sie heute leider kein Wort gesagt. Das haben weder Sie, Frau Ministerin, noch Sie, Herr Büger, getan.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, sie werden wissen, warum sie dazu nichts sagen.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Es reicht doch, wenn Sie das erwähnen!)

Auch die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg kann man mittlerweile nur noch
als völliges Desaster bezeichnen. Die Vertragsbedingungen wurden von der Rhön-Klinikum AG nicht
erfüllt, obwohl es das große Versprechen gab, dass, wenn privatisiert wird, es das Partikeltherapiezentrum geben würde. Das war ein großes Versprechen bei der Privatisierung. Mittlerweile ist klar, dass dieses Zentrum nie in Betrieb gehen wird.

(Clemens Reif (CDU): Jetzt ist ein Grüner Personalchef! Da wird alles besser!)

Nun hat Siemens den Mietvertrag gekündigt. Das heißt, es wird kein Partikeltherapiezentrum geben.
Vonseiten der Landesregierung ist zu dieser neuen Entwicklung nichts, kein Wort zu hören. Frau Ministerin, ich finde es schon blamabel, dass Sie sich hierhin gestellt und 20 Minuten lang geredet haben, aber zu dieser entscheidenden Frage für Mittelhessen kein Wort gesagt haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN))

Da frage ich: Was ist denn mit den 107 Millionen €? Fordern Sie die endlich zurück? Was passiert
denn, wenn das Partikeltherapiezentrum nicht in Betrieb gehen wird?

Frau Ministerin, ich sage: Zu Ihrer heute abgegebenen Regierungserklärung hätte gepasst, dass Sie
sich noch dafür gelobt hätten, dass das Partikeltherapiegebäude wenigstens einen Architekturpreis
gewonnen hat. Es heute noch dazu gepasst, dass Sie sich dafür gefeiert hätten.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Andrea Ypsilanti
(SPD))


Frau Ministerin, daraus ergibt sich keine gute Bilanz für Sie. Frau Ministerin, wenn man das Negative
konsequent ausklammert, so wie Sie es getan haben, und fast die gesamte Bilanz negativ ist, dann
kommt eben so eine Regierungserklärung dabei heraus. Sie haben 20 Minuten lang über Belanglosigkeiten und Bannalitäten gesprochen.

Wir haben durch Ihre Regierungserklärung erfahren, dass Kaffeekonsum gar nicht so ungesund ist,
wie weithin angenommen wird, und dass in Geisenheim roter Apfelsaft entwickelt wurde, der dazu dienen soll, den rückläufigen Apfelsaftkonsum wieder anzukurbeln, weil Rot attraktiver als Gelb sei. Dass Rot in vielen Bereichen Gelb vorzuziehen ist, wissen wir schon lange. Das erkennt man im Landtag immer wieder.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ob Apfelsaft dazugehört, halte ich für fraglich. Frau Ministerin, angesichts Ihrer Regierungserklärung frage ich mich ernsthaft, in welchem Paralleluniversum Sie eigentlich leben. Wollen Sie sich wirklich für das beklatschen lassen, was Sie hier dargestellt haben? Wollen Sie wirklich sagen, dass von Ihrer Amtszeit unterfinanzierte Hochschulen, eingestürzte Leuchttürme und roter Apfelsaft in Erinnerung bleiben sollen? Was ist denn das für eine Bilanz für eine Wissenschaftsministerin? Statt sich mit den drängenden Problemen der Hochschulpolitik zu befassen, wollen Sie sich hier für einzelne, teilweise durchaus sinnvolle Forschungsprojekte feiern lassen, so, als hätten Sie selbst mit im Labor gestanden.

(Holger Bellino (CDU): Im Gegensatz zu Ihnen hat sie die Rahmenbedingungen geschaffen, das ist das Entscheidende!)

Das ist kein Dienst an der Wissenschaft. Vielmehr versuchen Sie einfach, sich mit deren Ergebnisse
und deren Arbeit zu rühmen und das hier darzustellen.

Frau Ministerin, ich muss sagen: Ihre Regierungserklärung hat sich stellenweise wirklich so angehört,
als würden Sie hier die „Apotheken Umschau" verlesen.

(Heiterkeit und Beifallen bei der LINKEN)

Wir wissen jetzt, wie die typische christdemokratische Musterfamilie aussieht. Sie haben das hier illustriert. Die Großeltern essen seniorengerechtes Brot. Der Vater macht sich Sorgen um das Benzin
und die Energiepreise. Die Mutter geht gerne ins Theater. Der Sohn – und nicht etwa die Tochter – interessiert sich für die MINT-Fächer und die technischen Berufe. Er hat dann Ärger mit seinem Smart-Phone. Als ob das größte Problem der heutigen Jugendlichen ist, dass sie Probleme mit Ihrem Smart-Phone haben. Die Tochter ist einfach nur glücklich und dankbar, in Hessen studieren zu dürfen.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Das gibt es noch!)

Frau Ministerin, ich beschreibe Ihnen einmal eine andere Familie und deren Sorgen. Sagen wir einmal, dass diese imaginäre Familie in Büdingen im Wetteraukreis wohnt. Das ist etwas mehr als 40 km Luftlinie von Frankfurt entfernt. Es gibt in Hessen durchaus entlegenere Orte.

Die Tochter studiert im ersten Semester. Sie war froh, in Frankfurt überhaupt einen Studienplatz bekommen zu haben, weil ihr Abiturdurchschnitt nicht wirklich überragend war. Sie wollte gerne nach Frankfurt ziehen. Aber dort sind die Mieten leider zu teuer. Einen Platz in einem Studentenwohnheim hat sie leider nicht bekommen. Denn in Frankfurt gibt es zwar 50.000 Studierende, es stehen aber leider nicht einmal 4.000 Wohnheimplätze zur Verfügung.

Sie hat kein Auto. Deshalb pendelt sie täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Frankfurt. Wenn
es gut läuft, braucht sie von Büdingen bis zum Campus etwa 1 Stunde und 20 Minuten. Sie muss dabei natürlich mindestens zweimal umsteigen. Verpasst sie den Zug, muss sie eine Stunde warten.
Unsere Studentin bekommt nur knapp 100 € BAföG. Sie jobbt deshalb nebenher in einem Callcenter.
Von Programmen wie dem Deutschlandstipendium hat sie gar nichts. Denn sie gehört nicht zu den
Jahrgangsbesten.

Sie hat das Pech, zum sogenannten Studierendenberg zu gehören. Deshalb sind ihre Seminare oft
überfüllt. Wenn sie zu Professoren in die Sprechstunde will, muss sie ewig warten, weil die völlig überlaufen sind.

Frau Ministerin, für diese Studentin ist es wenig tröstlich, dass in Geisenheim roter Apfelsaft produziert
wird.

(Heiterkeit der Abg. Hermann Schaus und Marjana Schott (DIE LINKE) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Sie hätte gerne einmal ein paar Worte dazu gehört, wie die Ministerin die Situation an den Hochschulen verbessern will, damit der jüngere Bruder, der nämlich zu dem ersten G-8-Jahrgang seiner Schule gehört, angesichts der Doppeljahrgänge überhaupt noch einen Studienplatz an einer hessischen Hochschule findet. Frau Ministerin, diese Studentin hätte gerne von Ihnen gehört, wie Sie den Stress in den Bachelorstudiengängen reduzieren wollen und was Sie tun, damit genügend Masterstudienplätze geschaffen werden. Sie macht sich Sorgen, ob sie nach ihrem Studium einen festen Arbeitsplatz haben wird und ob sie ihre BAföG-Schulden zurückzahlen kann.

Frau Ministerin, ich frage mich: Was würde diese Studentin denken, wenn sie Ihre Regierungserklärung gehört hätte? – Ich glaube, die Studentin würde sagen: Alles, was Sie da erzählt haben, hat null Komma null mit meiner Lebensrealität zu tun. – Genau das ist das Problem. Sie haben hier an den tatsächlich bestehenden Sorgen der Studierenden und der Lehrenden sowie an den Sorgen der an der Hochschule Tätigen vollkommen vorbeigeredet.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD))

Sie rühmen sich damit, dass der Hochschuletat der höchste ist, den es je in Hessen gab. Frau Ministerin, ja, das stimmt, aber es gibt auch so viele Studierende in Hessen wie noch nie. Fakt ist auch, dass die Mittel pro Student sinken.

Mit dem Hochschulpakt haben Sie den Hochschulen weitere Kürzungen verordnet. Gleichzeitig haben
Sie sie verpflichtet, mehr Studierende auszubilden. Was dabei herauskommt, ist vollkommen klar. Die
Ausbildungsqualität sinkt. Das Betreuungsverhältnis verschlechtert sich. Die Hochschulen sind gezwungen, Zulassungsbeschränkungen zu erlassen, weil sie einfach nicht mehr alle Studierenden aufnehmen können. Das sind die realen Probleme an den Hochschulen. Darüber verlieren Sie leider kein Wort.

Frau Ministerin, ich fand es sehr interessant, wie interdisziplinär Sie vorgegangen sind. Sie haben davon gesprochen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden müsse. Ich weiß nicht, ob
Sie das vielleicht auch einmal dem Wirtschaftsminister mitteilen möchten.

Dann freuen Sie sich darüber, dass innovative Windkraftanlagen in Hessen entwickelt würden. Da frage ich Sie: Warum steckt diese Landesregierung Geld in die Entwicklung neuartiger Windkraftanlagen, die Sie nach dem Landesentwicklungsplan Ihres Kollegen Rentsch fast nirgendwo aufstellen dürfen?

Hessen ist nach wie vor Schlusslicht bei erneuerbaren Energien und nicht Vorreiter, wie Sie das in Ihrer Regierungserklärung gesagt haben. Dann brüsten Sie sich hier mit dem IWES – das hat der Kollege May richtig angesprochen –, dem Roland Koch damals die Mittel gekürzt hat. Sie stellen sich jetzt hin und wollen sich für dessen Leistung beklatschen lassen. Frau Ministerin, das ist nicht fair, was Sie hier machen, das ist einfach nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will auch zur Forschung noch einige Anmerkungen machen. Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Rede von der Freiheit der Forschung und des wissenschaftlichen Arbeitens gesprochen. Sie loben „das kreative Arbeiten und Tüfteln, losgelöst von zeitlichen Zwängen und klaren Zielen". Die Realität ist aber doch eine völlig andere.

Der Anteil der projektbezogenen Drittmittel steigt, und das führt dazu, dass Forschungsprojekte kurzfristig angelegt und finanziert sind. Das Aufkommen von Drittmitteln an Hochschulen hat sich von 1995 bis 2010 verdreifacht, die Grundmittel sind in diesem Zeitraum um nur 30 % gestiegen. Das heißt, das Verhältnis von Grundmitteln, die eine eigenmotivierte Forschung ermöglichen, zu wettbewerblichen Drittmitteln hat sich dramatisch verschoben.

Insbesondere in den Fächern der Natur-, der Technik- und der Lebenswissenschaften wird inzwischen
vielerorts fast ausschließlich auf Drittmittelbasis geforscht. Ganze Hochschulen strukturieren sich nach
den Bedarfen der Drittmitteleinwerbung, und Drittmittel sind ein entscheidendes Kriterium für die Personalauswahl geworden. Kritische wissenschaftliche Ansätze rücken in den Hintergrund. Statt ein wissenschaftliches Arbeiten in einem finanziell verlässlichen Rahmen und einem kooperativen Arbeitsumfeld zu ermöglichen, wurde der Wettbewerb um die Finanzierung zum Leitmotiv der Wissenschaftspolitik erhoben.
Ich will in dem Zusammenhang auch auf die Fachhochschulen hinweisen. Im Jahr 2011 wurden lediglich 0,27 % der gesamten DFG-Fördermittel an Fachhochschulen vergeben. Bei der Exzellenzinitiative waren die Fachhochschulen erst gar nicht antragsberechtigt. Ich finde, darüber muss man auch reden, wenn man über die Rolle der Fachhochschulen und über die Frage des Promotionsrechts für Fachhochschulen spricht.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade Drittmittelgeber aus der Wirtschaft haben meist sehr klare Vorstellungen davon, was am Ende
bei den Forschungen herauskommen soll, nämlich Ergebnisse, die für sie von Nutzen sind.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Das meiste sind DFG-Mittel!)

– Das ist richtig, Herr Dr. Müller. Der größte Teil der Förderung sind öffentliche Mittel, die über die
DFG und andere verteilt werden. Aber ein wachsender Teil der Drittmittel ist aus der Industrie; das
wollen wir schon festhalten.

(Holger Bellino (CDU): Das ist doch nicht schlimm!)

Wenn die Industrie Forschungsprojekte fördert, verspricht sie sich natürlich einen Nutzen davon. Das
halten wir für ein Problem, weil Forschung nicht allein nach ökonomischer Verwertbarkeit ausgerichtet
werden darf.

Frau Ministerin, das Problem ist, dass Sie Wissenschaftspolitik als Teil der Wirtschaftsförderung verstehen, beispielsweise bei der Elektromobilität. Ich frage mich: Warum muss denn die öffentliche Hand die Forschung für Elektromobilität bezahlen? Die Unternehmen verwerten die Ergebnisse zu ihrem Nutzen. Warum kann die Automobilwirtschaft dann nicht selbst für die Forschung für ihre eigenen Produkte bezahlen?

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Gesellschaft kann zu Recht erwarten, dass die immer noch größtenteils öffentlich finanzierten
Hochschulen und Institute im Gemeininteresse forschen. Aus unserer Sicht kann nur eine ausreichende öffentliche Forschung wissenschaftliche Autonomie gewährleisten.

Die Verdrittmittelung führt hingegen zu negativen Folgen, beispielsweise dazu, dass Forschung und Lehre immer weiter auseinanderdriften und nicht mehr als Einheit begriffen werden. Sie führt dazu, dass es eine wachsende Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln gibt. Wenn Hochschulen auf Drittmittel angewiesen sind, dann wird Wissenschaft käuflich.

Da möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen, das sich vor einiger Zeit in Berlin ereignet hat. Dort ist ein
Geheimvertrag zwischen der Humboldt-Uni, der TU Berlin und der Deutschen Bank veröffentlicht worden. Er brachte zum Vorschein, dass der Deutschen Bank als Stifterin das Recht eingeräumt wurde, bei der Berufung der Professoren mitzuentscheiden, und es wurden Mitspracherechte bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen vereinbart. 3 Millionen € war das der Deutschen Bank damals wert.

Der Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, Dr. Michael Hartmer, hat diesen Vertrag
sehr richtig mit den Worten kommentiert: „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Wissenschaft eingekauft werden sollte". Der Vertrag verstoße gegen die „ehernen Grundsätze der Wissenschaftsfreiheit".

Das ist kein Einzelfall. Eine ähnliche Kooperationsvereinbarung gibt es an der Uni Bremen, dort mit einem Raumfahrt- und Rüstungskonzern, die die weitreichende Streichung der dortigen Zivilklausel aus der Satzung bedeuten würde. Die Zivilklausel sieht vor, dass an der Uni Bremen eben nicht zu militärischen Zwecken geforscht werden darf. Aber diesem Grundsatz steht die Aussicht auf Drittmittel in Höhe von 3 Millionen € gegenüber. Etwa ein Drittel des Gesamthaushalts der Uni Bremen wird heute schon aus Drittmitteln finanziert. Da muss man schon kritisch fragen: Wie frei von den Interessen ihrer Geldgeber können Unis unter diesen Umständen wirklich forschen?

Ich will an der Stelle noch einmal klar sagen, dass DIE LINKE grundsätzlich der Meinung ist, dass
Rüstungsforschung an Hochschulen überhaupt nichts zu suchen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen freut es uns, wenn sich in einer Urabstimmung an der Uni Frankfurt 76 % für die Zivilklausel ausgesprochen haben, wenn es an der Universität Kassel eine ähnliche Abstimmung gab, die ebenfalls auf eine rein zivile und friedliche Ausrichtung von Studium und Lehre abzielt. Wir halten es für sinnvoll, eine solche Regelung auch im Hessischen Hochschulgesetz zu verankern, weil wir der
Meinung sind, Hessens Hochschulen sind dem Frieden und der Abrüstung verpflichtet.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, wir halten es nicht für zielführend, wenn Hochschulen miteinander um Drittmittel konkurrieren. In Hessen haben wir aber das Problem, dass sie sogar um staatliche Mittel miteinander konkurrieren. In einem gedeckelten Budget, das wir in Hessen haben, müssen die Hochschulen immer
mehr Studierende ausbilden, damit sie nicht weniger Geld bekommen. Wir wollen eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung.

Frau Ministerin, ich will überhaupt nicht leugnen, dass es sehr sinnvolle Forschungsprojekte im Rahmen von LOEWE gibt, dass sie innovative Ergebnisse bringen. Aber auch LOEWE sorgt dafür, dass die Verdrittmittelung an den Hochschulen vorangebracht wird und dass es einen zunehmenden wirtschaftlichen Wettbewerb untereinander gibt.

Eines will ich Sie schon fragen, Frau Ministerin: Wenn LOEWE so erfolgreich ist, warum dann eigentlich diese teure Werbekampagne, die Sie derzeit überall in Hessens Städten machen? Wenn LOEWE so erfolgreich ist, warum geben Sie mindestens 500.000 € aus Steuergeldern dafür aus, überall in Hessen für LOEWE zu werben, obwohl die Projektmittel doch ausgeschöpft sind? Frau Ministerin, da liegt der Verdacht schon nahe, dass hier Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler gemacht wird,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

wenn Sie überall plakatieren, dass Hessens Wissenschaft vorne ist, riesige Plakate zufälligerweise
drei Monate vor der Wahl. Wir haben das damals schon kritisiert, als Sie die Mittel eingestellt haben.

Frau Ministerin, wir sind der Meinung, 500.000 € Steuergeld wären woanders im Hochschulbereich
sehr viel besser investiert als für diese Kampagne. Ich finde wirklich, dass auch Sie ein Beispiel dafür
sind, dass Sie offensichtlich nicht genau unterscheiden können: Was ist ein Ministerium, und was ist
eine Partei? Was ist Öffentlichkeitsarbeit eines Ministeriums, und was ist Wahlkampf?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Volker Bouffier: Nicht zum Aushalten!)

Es geht natürlich auch um das Verhältnis außeruniversitärer Forschungseinrichtungen zu den Hochschulen. Ich glaube schon, dass wir hier ein Problem haben, wenn wir sehen, dass die außeruniversitären Einrichtungen in den letzten Jahren einen Budgetzuwachs von knapp 50 % hatten und parallel dazu an den Hochschulen die Mittel gekürzt wurden.

Ich will noch etwas zur Frage der Beschäftigung sagen. Frau Ministerin, Sie sprechen gern davon,
dass Hessen das „Land der Forscher" sei. Dafür aber geht diese Landesregierung wenig sorgsam mit
den Forschenden um. Sie haben auch kein Wort darüber verloren, wie die Beschäftigungsverhältnisse
der Menschen sind, mit deren Forschungsergebnissen Sie sich hier brüsten. Da stellen wir fest: Kurzfristige Projekte führen immer mehr zu befristeter und prekärer Beschäftigung an den Hochschulen.

90 % der Stellen im Mittelbau sind mittlerweile befristet, bei Drittmittelprojekten sind es nahezu alle.
Mehr als die Hälfte dieser Verträge läuft unter zwölf Monate und mehr als zwei Drittel auf Teilzeitbasis.
Junge Wissenschaftler hangeln sich von einem Vertrag in den nächsten, sie haben keine Planungssicherheit für sich und ihre Familien. Frau Prof. Meier-Gräwe von der Uni Gießen hat letzte Woche bei einer Veranstaltung des DGB darauf hingewiesen, dass in einigen Bundesländern drei Viertel aller Beschäftigten im Mittelbau der Unis kinderlos seien. Ihre Begründung dafür lautete, prekäre Beschäftigung sei das beste Verhütungsmittel, weil Menschen überhaupt nicht mehr ihre Zukunft planen können, weil sie keine Ahnung haben, ob ihr Vertrag verlängert wird. Deswegen setzen Sie junge Wissenschaftler einer Situation aus, dass sie überhaupt nicht mehr ihr eigenes Leben planen können, geschweige denn, eine Familie gründen können.
Viele junge Wissenschaftler, die überhaupt einmal einen unbefristeten Vertrag haben wollen, sind gezwungen, die Hochschulen zu verlassen. So geht den Hochschulen eine ganze Generation junger
Wissenschaftler verloren.

Wir sagen: Für Daueraufgaben braucht man dauerhafte Stellen. Deswegen müssen die Hochschulen
finanziell gut ausgestattet sein, damit sie dauerhaft Stellen schaffen können – denn Lehre ist eine
Daueraufgabe, und eine solche Fluktuation wie heute darf es da nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, es gibt sehr viele Themen, über die Sie hätten reden können. Dazu gehören die soziale Öffnung der Hochschulen, der Ausbau der staatlichen Studienfinanzierung, die Akademisierung bisheriger Lehrberufe – etwa bei Erziehung und Pflege. Das ist ein wichtiges Thema, denn die Frage lautet: Warum, bitte, verdient in dieser Gesellschaft eine Erzieherin so viel weniger als ein Jurist? Ist ihre Arbeit wirklich so viel weniger wert?

Es geht um das Thema Inklusion. Es geht um die Familienfreundlichkeit, das Recht auf Teilzeitstudium. Nach wie vor haben die Hochschulen von Ihnen keine akzeptable Antwort auf die Frage erhalten, wie man in den nächsten Jahren diesen Ansturm der Studierenden überhaupt bewältigen soll. Die Wohnsituation der Studierenden hat sich nicht gebessert. In Hessen haben wir gerade einmal eine Unterbringungsquote von 7 % – 15.000 Plätze für 215.000 Studierende. Daran werden die 2.000 Wohnheimplätze, die Sie jetzt schaffen wollen, leider wenig ändern.

Wir müssen über die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens reden. Natürlich muss das
Kooperationsverbot im Bildungsbereich, das CDU, SPD und FDP gemeinsam durchgesetzt haben,
wieder abschafft werden. Das ist ein riesiges Problem für die Finanzierung der Hochschulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bilanz dieser Ministerin ist blamabel. Aber es gibt Hoffnung. Frau Ministerin, in der Opposition sind
Sie manchmal ganz vernünftig. Das sehen wir im Moment in Kassel, wo die Ministerin den Bürgerentscheid für den Erhalt der Stadtteilbibliotheken unterstützt. Dort hat sich ein breites Bündnis zusammengefunden. Am Sonntag findet dort der Bürgerentscheid statt. Wir hoffen sehr, dass dies der erste erfolgreiche Bürgerentscheid in der Geschichte Kassels ist. Wir als LINKE unterstützen ihn auch. Auch die Gewerkschaften unterstützen ihn.

Frau Ministerin, wenn dieser Bürgerentscheid erfolgreich ist, dann hätten Sie in Kassel in der Opposition mehr erreicht als in fünf Regierungsjahren in Wiesbaden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Frau Ministerin, diese Regierungserklärung war an Belanglosigkeit kaum zu
überbieten. Die wichtigen Fragen haben Sie allesamt nicht angesprochen. Auf die drängenden Fragen
haben Sie überhaupt keine Lösungen. Viele der Probleme haben Sie selbst geschaffen.

Frau Ministerin, deswegen kann ich nur hoffen – für die Hochschulen in Hessen, für die Studierenden in Hessen, für die Lehrenden und Forschenden –, dass diese Regierungserklärung auch Ihre letzte Regierungserklärung war.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Mathias Wagner
(Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So, wie sie da sitzt, hofft sie das selbst auch!)