Rede Tempolimit
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
der Parteivorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, hat in einem Interview ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen als sinnvoll bezeichnet und das mit der Verkehrssicherheit begründet. DIE LINKE kann Sigmar Gabriel nur zustimmen, es gibt in der Tat viele gute Gründe für ein Tempolimit.
Schade nur, dass die SPD bei dieser Frage derartig rumeiert, denn kaum war der Satz von Gabriel in der Öffentlichkeit, distanzierte sich Peer Steinbrück davon und Gabriel ruderte zurück.
Dabei hat sich der Bundesparteitag der SPD bereits im Jahr 2007 für ein generelles Tempolimit ausgesprochen, im Antrag hieß es, dass eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz sei.
Der Antrag wurde damals übrigens gegen die ausdrückliche Empfehlung der Parteispitze und des damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verabschiedet.
Im Dezember 2011 hat dann erneut ein SPD-Bundesparteitag die Einführung eines Tempolimits beschlossen, diesmal auf Antrag des SPD-Bezirks Hessen-Süd.
Die Aussage von Gabriel ist also nicht nur richtig, sie entspricht auch der Beschlusslage in der SPD.
Zwei SPD-Parteitage und der Parteivorsitzende befürworten ein Tempolimit, aber der Kanzlerkandidat, der für sich gerne Beinfreiheit fordert, ist dagegen. Und was passiert? Beschlusslage hin oder her, Steinbrück setzt sich durch. Da ist der Streit ums Tempolimit in gewisser Weise symptomatisch.
Meine Damen und Herren, es gibt viele gute Gründe für ein Tempolimit von 120 km/h. Es wäre sowohl ein Beitrag zum Klimaschutz als auch zur Verkehrssicherheit.
Damit könnte man schnell und ohne Kosten den CO2-Ausstoß senken, und schafft weniger Anreiz, stark motorisierte und schwere Fahrzeuge zu kaufen. Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes ließen sich durch ein Tempolimit von 120 km/h 3,4 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid im Jahr einsparen.
Das Umweltbundesamt hat ausrechnet, dass ein Tempolimit auf Autobahnen eine Reduzierung des Treibstoffverbrauches um 9 Prozent erbringen würde. Das wäre eine erhebliche Einsparung, die ökologisch und wirtschaftlich zu Buche schlagen würde.
Und es geht um Verkehrssicherheit. Überhöhte Geschwindigkeit ist eine der Hauptursachen für Unfälle.
Die Europäische Union hat das Ziel ausgegeben, die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr bis 2020 zu halbieren.
Man muss sich das mal vergegenwärtigen: Auf deutschen Straßen werden jeden Tag mehr als zehn Menschen getötet und mehr als 200 Menschen schwer verletzt. Stellen Sie sich vor, jede Woche würden 100 Menschen im Bahnverkehr umkommen oder jeden Monat würde ein vollbesetzter Passagierjet abstürzen. Das würde doch bei keiner anderen Verkehrsart akzeptiert werden.
283 Menschen kamen 2012 auf hessischen Straßen ums Leben Das entspricht einer Zunahme von 7,6 Prozent. Der hessische Verkehrsminister hat im Jahr 2010 sinkende Unfallzahlen zum Anlass zu nehmen, auf einige Autobahnabschnitten die Tempolimits abzuschaffen. Das halten wir für grundfalsch.
Ein Tempolimit kann die Verkehrssicherheit erheblich verbessern. Es gibt Berechnungen u.a. der Weltgesundheitsorganisation, die besagen, dass die Zahl der Verkehrstoten durch ein Tempolimit deutlich gesenkt werden könnte.
Und es liegt auf der Hand, dass man bei einer Geschwindigkeit von 120 anders reagieren kann als bei Tempo 180.
Tempolimits bringen allen Verkehrsteilnehmern mehr Ruhe, mehr Übersicht und mehr Sicherheit. Das schützt vor allem die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Das sage ich auch angesichts des demografischen Wandels, auch die Autofahrer werden immer älter und die Höchstgeschwindigkeiten, die auf Autobahnen gefahren werden, überfordern viele ältere Verkehrsteilnehmer.
Auch der Wissenschaftliche Beirat zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit, der den Bundesverkehrsminister berät, empfiehlt in seinen Vorschlägen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland ganz eindeutig ein Tempolimit und verweist auf die Zitat „Risiken einer unbegrenzten, damit oft hohen und sehr heterogenen Geschwindigkeit."
Hohe Geschwindigkeitsunterschiede führen zu Unfällen und vergrößern die Staugefahr. Durch eine geringere Spreizung der Geschwindigkeiten auf Autobahnen könnten Gefahren minimiert werden.
Ein generelles Tempolimit wäre eine einfache Maßnahme, die nichts kostet und ausgesprochen wirksam ist. In den anderen Staaten Europas gibt es das längst. Es gibt heute fast keine Länder mehr auf der Welt, in denen es kein Tempolimit gibt. Deutschland ist hier eine absolute Ausnahme.
Das würden wir gerne ändern, deshalb würden wir es begrüßen, wenn die SPD das Tempolimit nicht immer nur auf Parteitagen beschließen würde, sondern diese Beschlüsse auch in ihre praktische Politik einfließen würden.
CDU und FDP wollen sich weiter als Partei der Autolobby profilieren. Sie lehnen ein generelles Tempolimit ab und halten an einer völlig verfehlten und nicht zukunftsfähigen Verkehrspolitik fest.
Derzeit hat der motorisierte Individualverkehr einen Anteil von mehr als drei Vierteln am gesamten Personenverkehr. Gerade diese Art des Verkehrs verursacht hohe Kosten und ökologische Schäden, hat einen enormen Flächenverbrauch und mindert die Lebensqualität durch Lärm und Abgase.
Statt weiterhin den motorisierten Individualverkehr zu privilegieren und auszuweiten, muss der öffentliche Personenverkehr ausgebaut werden, und zwar so, wie ihn die Menschen brauchen, flächendeckend, attraktiv und bezahlbar.