Lebensgefahr durch Wirbelschleppen beenden – Nordwestlandebahn stilllegen!

Rede zur Aktuellen Stunde der LINKEN

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

 

DIE LINKE hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil die Landesregierung ihrer Verantwortung nicht nachkommt, die Menschen in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens wirksam zu schützen.

 

(Dr. Walter Arnold (CDU): Da haben wir eben etwas anderes gehört!)

 

Die Anwohner sind Lärm und Schadstoffen ausgesetzt. Sie werden mitten in der Nacht aus dem

Schlaf gerissen, wenn das Nachtflugverbot wieder einmal gebrochen wird. Diese Menschen wollen

keine Wegzugsprämie; diese Menschen wollen ihr Leben zurück.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Es geht nicht nur um Lärm, sondern auch um die Gefahr der Wirbelschleppen. Immer wieder nämlich

verursachen die Luftwirbel landender Flugzeuge Schäden an Dächern; es fallen z. B. Ziegel herab.

Nach Angaben von Fraport passiert das fünf- bis 15-mal im Jahr. Aber alleine in Flörsheim gab es in

diesem Jahr schon mehr als zehn solcher Vorfälle. Ich will einige nennen:

 

Am 21. Februar hat eine Wirbelschleppe Löcher in die Dächer zweier Häuser in der Eppsteiner Straße

geschlagen. Ziegel landeten im Vorgarten.

 

Am 26. Februar traf es ein Haus in der Weilbacher Straße, an Ostern zwei weitere.

 

Am 4. April wurden in der Gallusstraße sechs Dachziegel angehoben und in den Hof geschleudert.

 

Am 5. April schleuderte eine Wirbelschleppe 50 Ziegel vom Dach eines Hauses in der Plattstraße bis

auf die andere Straßenseite und in den Garten. Das Vordach über der Haustür wurde zerschlagen. In

den angrenzenden Gärten spielten Kinder, und ein fünfjähriger Nachbarsjunge stand nur wenige Meter entfernt.

 

Meine Damen und Herren, die Wirbelschleppen bedeuten Lebensgefahr. Es ist reiner Zufall, dass es

bisher bei Sachschäden geblieben ist und kein Mensch verletzt wurde. Die Menschen in Flörsheim haben mittlerweile Angst, ihre Kinder im Freien spielen zu lassen. Herr Minister, da frage ich mich: Wie können Sie noch ruhig schlafen?

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Muss erst ein Kind erschlagen werden, bevor das Ministerium im Sinne der Gefahrenabwehr tätig

wird?

 

Mein Eindruck ist: Die Luftverkehrswirtschaft genießt offenbar Narrenfreiheit in diesem Land. Das Verkehrsministerium ist für die Sicherheit im Luftverkehr zuständig, aber statt zu handeln, wollen Sie erst einmal langwierige Gutachten anfertigen lassen. Im Planfeststellungsbeschluss zum Bau der neuen Landebahn ist nachzulesen:

 

„Durch Wirbelschleppen sind keine Gefahren oder nicht hinnehmbare Risiken für die öffentliche Sicherheit zu befürchten.“

 

Diese Annahme ist eindeutig widerlegt, und das ist ein Grund mehr, den gesamten Planfeststellungsbeschluss noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Bisher hat die Fraport zwar alle Schäden beglichen – das ist richtig, Herr Minister –; aber das hat sie

nicht ohne Eigennutz getan. Dass die Schäden aus „Kulanz“ und „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ bezahlt wurden, hat einzig und allein den Zweck, eine gerichtsverwertbare Dokumentation zu verhindern. Kein einziger Wirbelschleppenschaden wurde untersucht oder dokumentiert. Es gibt keine offizielle Registrierung der Schäden, und es gibt keine Ermittlung der Verursacher.

 

Nun heißt es, die Dächer sollten überprüft und die Ziegel geklammert werden. Aber es ist nicht so,

dass nur Ziegel von Wirbelschleppen erfasst werden. Auch Blumenkübel werden durch die Luft geschleudert; sie gefährden Menschen. Ruderer auf dem Main gerieten in eine Wirbelschleppe. Auch

Kinder, Kinderwagen, Fahrräder oder Fußgänger können erfasst werden. Da sage ich: Kinder kann

man nicht festklammern, und Flörsheims Einwohner kann man bei Ostwind nicht unter Hausarrest

stellen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Auch der Vorschlag, die Landebahn bei Ostwind einfach für schwerere Flugzeuge zu sperren, ist nicht

hilfreich. Zum einen landen die ganz schweren Flugzeuge nämlich gar nicht auf der Nordwest-Landebahn, und zum anderen ist es reine Spekulation, dass es einen Zusammenhang zwischen der Größe der Flugzeuge und den Schäden durch eine Wirbelschleppe gibt. Augenzeugen berichteten, dass auch kleine Flugzeuge Wirbelschleppen ausgelöst haben. Auch der Wirtschaftsminister erklärt, man stochere völlig im Nebel, was die Kausalität angeht. Oftmals ist es auch gar nicht mehr nachzuvollziehen, welches Flugzeug die Beschädigungen verursacht hat.

 

Herr Minister, dreist finde ich aber, dass Sie öffentlich infrage stellen, dass die Schäden überhaupt

durch Wirbelschleppen entstehen. Glauben Sie allen Ernstes, die Flörsheimer sitzen bei Ostwind auf

ihren Dächern und werfen mit Ziegeln, wenn sich ein Flugzeug nähert? Oder was glauben Sie? Das ist

doch absurd. Woran soll es sonst liegen?

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Es gibt nur eine sinnvolle Lösung: Der neuen Landebahn muss nach § 6 Luftverkehrsgesetz die Betriebsgenehmigung entzogen werden. Nur so können die Anwohner geschützt werden.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Ich finde es perfide – auch das will ich an der Stelle sagen –, wenn jetzt versucht wird, sogenannte

Neubetroffene und sogenannte Altbetroffene gegeneinander auszuspielen. Die Wirbelschleppengefahr in Flörsheim wird doch nicht dadurch erträglicher, dass sie in Raunheim ebenfalls besteht. Für beide Städte muss eine Lösung gefunden werden. Alles andere ist so, als ob man russisches Roulette mit dem Leben und der Gesundheit der Anwohner spielte. Herr Minister, ich finde es zynisch, dass Sie ausgerechnet den Begriff „Restrisiko“ verwenden, wenn es um die Gesundheit der Anwohner geht.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Janine Wissler (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss. – Die Ausbauparteien CDU, FDP und SPD haben die Menschen getäuscht. Wir kämpfen dafür, dass die Gesundheit der Menschen Vorrang hat vor den Profitinteressen von Lufthansa und Fraport. Wir setzen uns für die Schließung der Landebahn ein. Mein Kollege Hermann Schaus hat einen Dachziegel mitgebracht.

 

(Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) hält einen Dachziegel hoch.)

 

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege Schaus, ich darf Sie bitten, ihn herunterzunehmen. Sie wissen, dass Sie im Moment gegen die Geschäftsordnung verstoßen. Legen Sie ihn bitte runter.

 

(Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) hält den Dachziegel weiterhin hoch. – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Herr Schaus, haben Sie den an den Kopf bekommen, oder was?)

 

Herr Schaus, ich fordere Sie zum letzten Mal auf, den Ziegel herunterzunehmen. – Danke.

 

Janine Wissler (DIE LINKE):

Herr Präsident,

 

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Wissler, Ihre Redezeit ist um. Letzter Satz.

 

Janine Wissler (DIE LINKE):

wir wollten damit einfach nur zeigen, wie schwer ein solcher Dachziegel ist. Wir wollten veranschaulichen, in welcher Gefahr sich die Anwohner befinden und dass im Interesse ihrer Sicherheit dringend gehandelt werden muss. – Danke.

 

(Beifall bei der LINKEN)