Öffentlichen Personennahverkehr besser finanzieren
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Erst einmal finde ich es sehr erfreulich, dass wir darin übereinstimmen, dass der öffentliche Personennahverkehr in Hessen unterfinanziert ist. Richtig ist auch, dass die Große Koalition im Bund die Regionalisierungsmittel erhöhen sollte. Da reden wir über das Geld, dass das Land als Zuschuss für den ÖPNV aus der vom Bund erhobenen Mineralölsteuer erhält, seit der regionale Schienenverkehr mit der Bahnreform in die Hände der Länder gelegt wurde. Leider erschöpft sich darin der Lösungsansatz, den Schwarz-Grün uns heute vorlegt: Sollen „die da in der Bundesregierung“ mal machen, wir können weiter nichts tun.
So richtig ich es finde, dass die Regionalisierungsmittel erhöht werden müssen, machen Sie es sich doch etwas einfach. Denn das Land kann natürlich auch selbst Geld in die Hand nehmen und dafür sorgen, dass der ÖPNV gestärkt wird. Andere Länder tun das. Hessen steckt überhaupt kein eigenes Geld in den ÖPNV. Ich will darauf hinweisen, dass dies ein Punkt ist, den die GRÜNEN immer kritisiert haben, als sie noch in der Opposition waren, Frau Müller nickt. Es ist ein Punkt, den Sie immer gemeinsam mit uns kritisiert haben. Da frage ich mich: Warum ändern Sie das nicht? Warum sorgen Sie nicht dafür, dass Hessen endlich auch Landesgeld in den ÖPNV steckt? – Das ist das allererste, was die Landesregierung machen könnte.
(Beifall bei der LINKEN)
Derzeit verteilen Sie nur die Bundeszuschüsse und den Kommunen zustehende Gelder weiter. Um es in der Autosprache zu sagen: Wir haben Bundes- und Kreisstraßen, verzichten wir also auf die Landesstraßen. – Genau das ist das Problem, das von der Landesregierung finanziell nichts beigetragen wird. Wenn der Bund jetzt die Erhöhung der Regionalisierungsmittel ablehnt, und Sie dann sagen: „Wir haben es ja versucht“, dann ist das einfach zu wenig.
Ich freue mich, dass es ein einstimmiges Votum bei den Verkehrsministern gegeben hat, aber ich befürchte, dass dieser Appell an Schäubles Wahnsinnsprojekt „Schwarze Null – auch wenn alles zusammenbricht“ scheitern wird. Sein Staatssekretär hat das letzte Woche beim Parlamentarischen Abend in Berlin auch schon gesagt und hat dem Vernehmen nach der Forderung der Bundesländer nach einer Erhöhung der Regionalisierungsmittel für 2015 bereits eine Absage erteilt.
Da können Sie heute so viel appellieren, wie Sie wollen. Solange sich die Große Koalition nicht dafür einsetzt, dass es mehr Geld gibt, müssen wir auf Landesebene schauen, was wir machen können und nicht nur mit dem Finger nach Berlin zeigen. Es ist richtig, dort mehr Geld einzufordern. Aber auch hier muss etwas passieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Da muss ich schon ein paar Worte zu dem Kollegen Frankenberger sagen. Ich habe Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört. Sie haben über Herrn Schäuble und Herrn Dobrindt gesprochen und dass die beiden Arbeitsverweigerung betreiben würden. Ich habe mich kurz gefragt, wer in Berlin eigentlich regiert. Die SPD kann sich auch nicht völlig aus der Verantwortung herausnehmen. Es ist immerhin Ihr Koalitionspartner. Ein Vorwurf wie „Arbeitsverweigerung“ ist ein heftiger Vorwurf. Ich würde mir wünschen, dass die SPD im Bund genug Kraft und Autorität hat, diese beiden Minister dazu zu bringen, dass sie ihre Arbeit erledigen, wenn Sie diese Bundesregierung unterstützen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe nichts dagegen, dass sich der Ministerpräsident als stellvertretender CDU-Vorsitzender bei den Ministern oder bei wem auch immer dafür einsetzt, dass es mehr Geld gibt. Die SPD ist aber auch an der Großen Koalition beteiligt. Weil Sie es so ausgeführt haben, habe ich im Koalitionsvertrag der Großen Koalition noch einmal nachgelesen. Leider findet sich dort kein Wort zur Frage der Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Darin steht nur, dass es eine Einigung mit den Ländern geben soll. Dabei wird aber auch gesagt, die Länder müssten einen „effizienten Mitteleinsatz“ nachweisen.
Gut, dass Sie das heute fordern, aber noch besser wäre gewesen, wenn die SPD in den Koalitionsverhandlungen für die Große Koalition genau diese Forderungen auch im Koalitionsvertrag durchgesetzt hätte. Dann müssten sich Dobrindt und Schäuble auch daran halten. Dann hätten wir dieses Problem nicht.
Es ist bitter nötig, dass wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen. Er ist ein Grundpfeiler der Verkehrswende, die wir dringend brauchen. Die Verkehrswende fordert nicht nur einen Erhalt, sondern einen Ausbau des vorhandenen Angebots. Da muss man deutlich sagen: In Hessen fährt der öffentliche Personennahverkehr auf Verschleiß. Die Leidtragenden sind die Fahrgäste, weil die Taktung geringer wird, weil die Qualität schlechter wird, weil die Bahnen zum Teil überfüllt sind. Die Leidtragenden sind aber auch die Beschäftigten und die Leidtragenden sind die Menschen, die im ländlichen Raum leben und von Verkehrsleistungen einfach abgekoppelt werden.
Auch wenn man mit den Verbünden redet, stellt man fest, dass die Situation ziemlich dramatisch ist. Das ist keine neue Situation. Das ist die Situation, die der Landesregierung bekannt ist. Es gab eine Studie, die bei PwC in Auftrag gegeben worden ist, wonach wir in den nächsten Jahren eine Deckungslücke von 140 Millionen € haben werden. Die Frage ist: Wie will die Landesregierung diesen Problemen entgegnen?
Vonseiten der Landesregierung und der Verbünde wird gerne von dem beeindruckenden Fahrgastzuwachs in absoluten Zahlen gesprochen. Und es wird oft gesagt, das sei ein Erfolg des ÖPNV.
Natürlich ist es auch gut und wichtig, dass viele Menschen den ÖPNV nutzen. Aber auf der anderen Seite muss man leider sehen, dass auch der Autoverkehr immer weiter wächst, sich der Anteil zueinander also kaum verändert, sondern generell einfach mehr Menschen unterwegs sind. Deswegen muss es doch das Ziel sein, den Anteil des ÖPNV am Verkehrsaufkommen deutlich zu erhöhen, wie es zum Beispiel auch die Hessische Nachhaltigkeitsstrategie vorsieht.
Und nicht nur unter Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten ist der ÖPNV-Ausbau wichtig und notwendig. Feinstaub, Schadstoffe und Lärm führen zu Gesundheitsschäden. Deshalb muss auf der einen Seite der Verkehr reduziert werden. Auch das ist ein wichtiger Punkt, nicht nur nach dem Motto „An Hessen führt kein Weg vorbei“ zu verfahren, sondern auch Konzepte zur Verkehrsvermeidung und -reduzierung zu diskutieren, um die Schadstoff- und Lärmbelastung zu verringern, statt immer wieder beispielsweise Einzelhandelsgeschäfte auf die grüne Wiese zu verlegen und immer mehr Pendler zu bekommen.
Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die Belastungen, die vom Verkehr selbst ausgehen: Die vielen Pendler, die morgens nach Frankfurt pendeln, jubeln morgens, wenn sie auf der A 5 im Stau stehen, nicht: „Jippie, ich bin mobil!“, sondern das ist eine Form von erzwungener Mobilität, weil man sich teilweise die Mieten in Frankfurt nicht leisten kann und gezwungen ist, in die Stadt hinein zu pendeln. Deshalb muss der Verkehr reduziert und vor allem auch auf die Schiene verlagert werden.
Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dahingehend klafft die Schere zwischen Ballungsraum und ländlichen Regionen immer weiter auseinander, was sich natürlich auch auf die Lebensqualität niederschlägt.
Im ländlichen Raum gibt es immer mehr Landstriche, in denen man sich entweder mehrere Autos pro Familie leisten kann, oder aber man muss Einschränkungen hinnehmen und sich überlegen, wie man zum Einkaufen, zum Arzt, zu Freunden und Verwandten oder ins Theater kommt.
In solchen Gegenden gibt es dann eine Abwärtsspirale. Ist das Angebot erst einmal soweit ausgedünnt, dass es nicht länger verlässlich ist und der Bus eben nicht mehr jede Stunde fährt, dann gehen die Fahrgastzahlen weiter zurück, das Angebot wird weiter reduziert und es entsteht eine Situation, in der der demografische Wandel und die Landflucht noch beschleunigt werden, weil die Infrastruktur im ländlichen Raum wegfällt und die ländlichen Gebiete dadurch weniger attraktiv sind. Kreative Notlösungen wie Anruftaxen oder Mitfahrgelegenheiten sind, so nett es auch sein mag, kein Ersatz für ein vernünftiges ÖPNV-Angebot, das kann überhaupt nicht die Aufgabe sein.
Das sind nicht nur Probleme des ländlichen Raums. Die Probleme des ländlichen Raums kommen quasi wie ein Bumerang in die Städte zurück, und zwar in Form steigender Mieten, von mehr Verkehr, von Pendlerströmen. Deswegen denke ich, ist es ein ganz wichtiger Punkt, dass wir einen ÖPNV brauchen, der den ländlichen Raum nicht abhängt.
(Beifall bei der LINKEN)
Aus diesem Grund ist ein Umsteuern in der Verkehrspolitik notwendig. Deswegen braucht es auch mehr Geld vom Bund und vor allem endlich wieder Landesmittel. Auch müssen wir über neue Wege der Finanzierung nachdenken. Die Fahrscheine immer teurer zu machen und sich über das Ansteigen des sogenannten Kostendeckungsgrades zu freuen, ist keine Lösung – zumal dieser Begriff auch etwas irreführend ist. Natürlich werden die Kosten immer von irgendjemandem gedeckt, im Zweifelsfall vom Fahrgast, der höhere Preise hinnehmen muss.
Im Gegenteil müssten wir überlegen, wie sich die Kosten von Fahrscheinen senken lassen, sodass der ÖPNV attraktiver wird und ihn sich jeder leisten kann. Da finde ich schon, dass man über andere Modelle der Finanzierung nachdenken kann, beispielsweise eines Solidartickets, wie das Semesterticket, das es schon heute gibt und von allen bezahlt wird. Aber es könnte auch darüber nachgedacht werden, z. B. Beiträge von Unternehmen zu erheben, also von Arbeitgebern und Gewerbetreibenden, die von einer guten ÖPNV-Anbindung profitieren. Beim Kfz-Verkehr sind Abgaben wie Straßenerschließungsbeiträge oder Stellplatzablösen die Realität. Warum sollte man so etwas nicht auch bei der ÖPNV-Erschließung zumindest einmal ins Auge fassen?
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:
Frau Wissler, kommen Sie bitte zum Ende.
Janine Wissler (DIE LINKE):
Ich komme zum Schluss. – Sie verwalten bei Bus und Bahn den Mangel, verteidigen bestenfalls den Status quo, aber es fehlt eine Vision. Und so ist es auch in Ihrem Antrag: In weiten Teilen stimmen wir mit der Bestandsaufnahme überein, die kostet ja auch erst einmal nichts. Natürlich ist die die Aufforderung richtig, dass es mehr Geld vom Bund geben müsse. Aber er zeigt eben leider keinen Weg auf, wie wir zu einem Ausbau des ÖPNV und zu einer Verkehrswende kommen. Wenn es der Landesregierung damit wirklich ernst ist, dann wäre es das erste Zeichen, überhaupt einmal Landesmittel für den ÖPNV in den Haushalt einzustellen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)