Aktionstag der Muslime gegen Hass und Krieg
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Unter dem Motto „Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht“ fand ein bundesweiter Aktionstag statt, an dem sich über 2.000 Moscheen beteiligten. Vertreter der Kirchen, des Zentralrats der Juden und auch Politiker haben daran teilgenommen. Damit wollten die muslimischen Gemeinden ein Zeichen gegen Gewalt im Namen ihrer Religion setzen und gegen die jüngsten Übergriffe auf Moscheen protestieren. Denn allein in den letzten Wochen gab es fünf Angriffe auf Moscheen in Deutschland, seit 2012 waren es mindestens 80.
Es ist wichtig, dass der Landtag hier Solidarität zeigt und jede Form von Rassismus, antimuslimischen Ressentiments und Antisemitismus zurückweist.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU)
Meine Damen und Herren, es reicht aber nicht aus, diese Übergriffe zu verurteilen. Wir müssen auch sehen, wie Vorurteile und Hass entstehen und dass diese ganz bewusst geschürt werden.
Seit dem 11. September 2001 stehen Muslime vielerorts quasi unter einem Generalverdacht. Sie gerieten im Zuge von vermeintlicher Terrorismusbekämpfung ins Visier von Ermittlungsbehörden und sind verstärkt religiösen und rassistischen Vorurteilen ausgesetzt.
Die aktuellen Kriege in Gaza, in Syrien und im Irak werden zum Vorwand genommen, um muslimfeindliche Parolen zu verbreiten, Menschen anzupöbeln und Gotteshäuser anzugreifen.
Das kommt nicht von irgendwo her. Wenn wir in einem Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs der „Bild am Sonntag“ lesen müssen: „Der Islam stört mich immer mehr. Mich stört die weit überproportionale Kriminalität von Jugendlichem mit muslimischem Hintergrund. Mich stört die totschlagbereite Verachtung des Islams für Frauen und Homosexuelle.“, dann bin ich froh, dass der Presserat diese islamfeindliche Einstellung und diesen Kommentar auch gerügt hat.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber es ist nicht leider nur die „Bild“. Es ist der „Cicero“, der mit einer Burka titelt und fragt: „Ist der Islam böse?“, der „Stern“: „Wie gefährlich ist der Islam?“, und der „Focus“: „Unheimliche Gäste“, zu sehen sind dann betende Muslime und ein Minarett. Wir haben in diesem Haus häufig über die Rolle von Politikern wie Herrn Irmer, gesprochen, der immer wieder solche Ressentiments entfacht.
Meine Damen und Herren, der Aktionstag sollte auch ein Zeichen für den Frieden setzen. Jeden Tag erreichen uns schlimme Nachrichten aus dem Irak und aus Syrien, die Zahl der Flüchtlinge steigt dramatisch. Die Verfolgung von Kurden und Jesiden, die Hinrichtungen von Journalisten und Entwicklungshelfern – all das ist abscheulich.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN))
Wer über den sogenannten islamischen Staat spricht, der darf aber auch über den Irakkrieg, die Besatzung und Abu Ghraib nicht schweigen. IS ist ein Monster, das durch Krieg, Gewalt und Besatzung geschaffen wurde. Sie kämpfen und töten mit amerikanischen Waffen, die in die falschen Hände gerieten – wobei ich bezweifle, dass sie je in den richtigen waren.
Schon jetzt gibt es zu viele Waffen in der Region. Weitere zu liefern halten wir für einen schweren Fehler der Bundesregierung. Denn dieses Problem wird sich nicht mit den Mitteln lösen lassen, mit denen es entstanden ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir halten es auch für absurd, dass man in Deutschland vor dem Salafismus warnt und den IS im Irak mit deutschen Waffen bekämpfen will, aber Panzer nach Saudi-Arabien liefert, wo IS doch praktisch an der Macht ist, auch wenn sie dort anders heißen. Dort haben Frauen keine Rechte, und Amnesty International schätzt, dass es allein im August über 40 zumeist öffentliche Enthauptungen gegeben hat. Die Bundesregierung muss sofort aufhören, ein solches Regime auch noch mit Waffen zu beliefern.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die muslimischen Verbände werden immer gern aufgefordert, sie sollen sich öffentlich von Terror, Krieg und Gewalt distanzieren. Das tun sie übrigens immer wieder; das wird allerdings kaum zur Kenntnis genommen. Die Frage ist: Warum wird das überhaupt gefordert?
Die Muslime in Deutschland haben doch nichts mit dem Terror des IS zu tun. Sie haben genauso wenig damit zu tun wie die Christen in Deutschland mit dem Ku-Klux-Klan, der sich auch christlich nennt. Es ist doch die Aufgabe aller, aufzustehen gegen Krieg, gegen Unterdrückung und Verfolgung – völlig egal, in Namen welcher Religion diese Verbrechen begangen werden.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Präsident der EKD hat bei der Kundgebung in Berlin zu Recht darauf hingewiesen, dass auch das Christentum in seiner eigenen Geschichte „Heilige Kriege“ und „Kreuzzüge“ kennt, wo Gott zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht wurde.
Es sind doch gerade Muslime, die vom Terror des islamischen Staates bedroht sind. Es sind zuallererst sunnitische Kurden und Schiiten, die sich den IS-Terrorbanden in den Weg stellen und Flüchtlinge aufnehmen. Es ist kein Konflikt zwischen dem Westen und den Muslimen – das ist eine falsche Beschreibung.
Und wenn sich junge Deutsche, darunter viele Konvertiten, auf den Weg in einen vermeintlich heiligen Krieg machen, dann müssen wir doch sehen, das ist zuallererst ein Problem unserer Gesellschaft und nicht zuvorderst ein Problem der Muslime. Wir müssen uns fragen, was in dieser Gesellschaft da falsch gelaufen ist.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)
Ich komme zum Schluss. – Das Problem ist nicht, dass sich die muslimischen Gemeinden nicht klar von Terror und Gewalt abgrenzen. Das tun sie bis auf ganz wenige Ausnahmen. Das Problem ist, dass die deutsche Gesellschaft keine klaren Zeichen gegen antimuslimischen Rassismus setzt. Wo waren denn die Lichterketten, als Marwa El-Sherbini in einem deutschen Gerichtssaal ermordet wurde, weil sie Muslimin war? Wo waren denn die Aufschreie der Zivilgesellschaft, und wo war der Rechtsstaat, als neun Menschen vom NSU ermordet wurden und die Ermittlungsbehörden die Opfer zu Tätern gemacht haben?
Ich denke, wenn Muslime, wenn Menschen mit Migrationshintergrund, wenn Juden in diesem Land angefeindet werden, wenn es Übergriffe auf Moscheen und Synagogen gibt, dann ist das ein Angriff auf die Demokratie insgesamt. Deswegen ist es die Pflicht aller Demokraten, gegen jede Form der Ausgrenzung und Diskriminierung und Rassismus aufzustehen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. René Rock (FDP))