AfD: Keine Alternative, sondern Gefahr von Rechts

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

In der CDU hat das schlechte Ergebnis bei der Europawahl eine Debatte um eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgelöst. Dabei melden sich vor allem Vertreter der hessischen CDU zu Wort, wie die Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach und Klaus-Peter Willsch, aber auch der langjährige Fraktionsvorsitzende der Hessen-CDU, Christean Wagner.

Es ist kein Zufall, dass diese Stimmen ausgerechnet aus der hessischen CDU kommen. Die hessische CDU hat nämlich traditionell eine offene rechte Flanke, und ein Großteil des Führungspersonals der AfD stammt genau aus den rechtskonservativen Kreisen der CDU, die bekanntlich in Hessen besonders ausgeprägt sind. Dadurch erklärt sich auch eine gewisse inhaltliche Nähe. Man muss einmal nüchtern feststellen: Frau Steinbach, Herr Irmer und Herr Wagner könnten mit ihren Positionen genauso gut in der AfD sein. Dort würden sie sicher nicht als Linksabweichler auffallen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Bei Themen wie Zuwanderung oder der Gleichstellung von Homosexuellen dürften die Ansichten von Frau Steinbach und von Beatrix von Storch auch nicht allzu weit auseinanderliegen. Das sagt Frau Steinbach selbst. Ich zitiere sie ungern, aber niemand demaskiert sie so gut, wie Frau Steinbach das selbst macht. Sie sagt:

„Jenseits des Euro-Themas sehe ich in der Innen- und Gesellschaftspolitik viele Überschneidungen, sicher mehr als mit anderen Parteien.“

Ich finde, das spricht für sich. Herr Pentz, Sie haben hier herumgeeiert. Sie haben sich um die Beantwortung der Frage gedrückt: Wie hält es die CDU mit der AfD?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Manfred Pentz (CDU): Ich habe alles gesagt!)

Wenn es von hochrangigen CDU-Mitgliedern – also nicht von irgendjemandem – wiederholt Äußerungen gibt, in denen eine Öffnung zur AfD gefordert wird, um zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit möglich ist, ist es wohl angebracht, im Landtag nachzufragen, was der Ministerpräsident und Landesvorsitzende der hessischen CDU darüber denkt. Der Satz: „Die Frage stellt sich nicht“, ist nämlich eine inhaltliche Nicht-Aussage, und deswegen hätten Sie hier eine klare Position beziehen sollen, statt zehn Minuten lang herumzueiern.

Ich will mich noch ein bisschen mit der AfD auseinandersetzen, um klarzumachen, mit wem sich CDU-Abgeordnete hier gemeinmachen.

(Michael Boddenberg (CDU): Lassen Sie uns über DIE LINKE reden! Eine Lachnummer ist das!)

Die AfD versteht sich als eine Art deutsche Tea-Party-Bewegung – neoliberal, rechtskonservativ mit einem reaktionären Menschen- und Gesellschaftsbild –, die versucht, die wachsende Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Europapolitik der Bundesregierung in ein rechtsnationales Fahrwasser zu lenken. Die AfD steht für soziale Kälte und nationale Enge.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Formal grenzt sich die AfD zwar von rechts außen ab; in ihren Reihen finden sich aber völkische Nationalisten, und auf dem Gründungsparteitag waren NPD-Mitglieder anwesend. Es ist auch kein Zufall, dass Parteichef Lucke Wörter wie „Entartung“ benutzt und vom „Bodensatz der Gesellschaft“ spricht. Er spricht von Sinti und Roma als von einem „Problem“, weil sie in großer Zahl kämen und nicht gut zu integrieren seien. Die AfD beteiligt sich vor Ort an der Mobilisierung gegen Moscheen, und sie schürt Ressentiments gegen Migranten und Muslime. Auf einer von der AfD-Politikerin Beatrix von Storch betriebenen Internetseite ist nachzulesen – da wird mir wirklich speiübel –: „Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen.“

Zudem ist die AfD von einer Sozialstaats- und Demokratiefeindlichkeit sowie von einer tiefen Verachtung gegenüber Erwerbslosen geprägt. Das wird deutlich, wenn Parteichef Lucke Migranten, die in Deutschland Hartz IV beziehen, als „eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt“, bezeichnet. Das ist wirklich eine menschenverachtende Wortwahl. Wir tun gut daran, so etwas zurückzuweisen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Solche Zitate findet man am laufenden Band. Man muss schon sagen, in der AfD haben sich wirklich ein paar sympathische Kerlchen versammelt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wohl wahr!)

Viele davon stammen direkt aus der hessischen CDU. Wenn AfD-Parteisprecher Konrad Adam in einer Kolumne darüber nachdenkt, Erwerbslosen und Rentnern das Wahlrecht zu entziehen, damit die – Zitat – „Inaktiven und Versorgungsempfänger“ nicht zu viel Macht über den Staat gewinnen, ist das wirklich demokratiefeindlich.

Wenn dann Frau Steinbach sagt, die AfD sei für sie eine rechtsstaatliche, demokratische Gruppierung und ein „möglicher Partner für die CDU“, meine ich, dass die CDU und ihr Landesvorsitzender hier aufgefordert sind, endlich einmal klare Worte zu finden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Es sind gerade Ihre ehemaligen Mitglieder, die dort an vorderster Front stehen, wie der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland, der lange CDU-Mitglied und unter Walter Wallmann Staatssekretär in der Hessischen Staatskanzlei war. Er attestiert den Deutschen ein „gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt“ und empfahl Bismarcks Auffassung: Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden … sondern durch Eisen und Blut. Eine solche Partei wird jetzt von CDU-Mitgliedern salonfähig gemacht, wenn z. B. ein CDU-Bundestagsabgeordneter wie Herr Willsch erklärt, die CDU habe mit der AfD größere Schnittmengen als mit SPD und GRÜNEN. Ich finde, das ist auch eine interessante Aussage in Richtung Ihres Koalitionspartners.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Manfred Pentz (CDU): Völliger Quatsch!)

Aber auch hier gilt, der Fisch stinkt immer vom Kopf. So erklärte Ministerpräsident Bouffier kurz vor der Landtagswahl auf Nachfrage von Tarek Al-Wazir, ob er denn eine Koalition mit der AfD ausschließe, er kenne das Programm der AfD, und das sei „im Rahmen der Demokratie“. „Deshalb schließe ich natürlich nichts aus“, so Bouffier wörtlich. Herr Al-Wazir hat das damals mit den Worten kommentiert: „Bouffier ist halt doch nicht Landesvater, … nicht Versöhner, sondern Rechtspopulist der Hessen- CDU.“

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Immerhin haben Bouffiers Versöhnerqualitäten ausgereicht, um sich nach der Wahl mit den GRÜNEN zu versöhnen. Herr Bouffier hat diese Aussage zurückgezogen – vermutlich nach Muttis Anruf –, nachdem sie bundesweit für Aufregung gesorgt hatte. Herr Al-Wazir hat seine Aussage aber nicht zurückgezogen, weshalb ich die Frage stelle, ob Sie jetzt mit jemandem regieren, den Sie nach eigener Aussage für einen Rechtspopulisten halten.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Die Alternative ist, dass man Ihnen nicht glauben kann, was Sie im Wahlkampf erzählen. Aber diese Alternative ist auch nicht besser. Das Ergebnis der AfD bei der Europawahl ist besorgniserregend, insbesondere in Hessen. Dass die AfD ein großes Wählerpotenzial hat, liegt auch daran, dass die Eurokrise Misstrauen und Unsicherheit hervorruft und viele Menschen das Gefühl haben, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird und sie die Rechnung dafür zahlen müssen. Das stimmt auch. Nur werden mit diesem Geld eben keine Griechen und Spanier gerettet, sondern einmal mehr Banken und Spekulanten. Deswegen haben die LINKEN im Bundestag gegen die Rettungspakete gestimmt.

Die AfD schlägt genau in diese nationalistische Kerbe. Sie macht angeblich faule Griechen, Portugiesen und Spanier für die Krise verantwortlich und stempelt sie zu Sündenböcken ab. Das ist völlig falsch. Diese Argumentation dient nur dazu, dass man brutale Kürzungen durchsetzt, angeblich damit die Südeuropäer wieder auf die Beine kommen können. Das macht eine Flanke für rassistische und nationalistische Argumentationen auf. Wir sagen: Die Austeritäts- und Kürzungspolitik wird die Krise in diesen Ländern nicht beseitigen, sondern sie wird sie verschärfen. Deshalb: Die Spaltung in Europa erfolgt nicht zwischen Nationalitäten, sondern zwischen oben und unten.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Europawahlkampf zeigte sich wieder einmal, es ist ein Irrglauben, zu meinen, dass man den Rechten das Wasser abgraben kann, indem man ihre Parolen übernimmt. Das hat die Union in Wahlkämpfen immer wieder gemacht – gerade auch die hessische Union, die mit ausländerfeindlichen Wahlkämpfen versuchte, am rechten Rand zu fischen. Das hat auch die CSU im Europawahlkampf mit dem Slogan: „Wer betrügt, der fliegt“, gemacht, und damit war eben nicht Uli Hoeneß gemeint, sondern es wurde damit gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit polemisiert.

Gegen alle Statistiken und gegen besseres Wissen wurde auf Kosten von Migrantinnen und Migranten Stimmung gemacht. Der Bundesinnenminister hat kurz vor der Europawahl angekündigt, das Asylrecht zu verschärfen und weiter auszuhöhlen. Genau das sind inhaltliche Zugeständnisse an Rechtspopulisten wie die AfD. Aber dieses Kalkül geht überhaupt nicht auf. Das Gegenteil ist der Fall: Wer nationalistische und rechtspopulistische Kampagnen macht, schafft erst das Klima, in dem Rechte stark werden können.

Ich finde, dass der scheidende CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt das ganz gut auf den Punkt gebracht hat, als er den Wahlkampf seiner Partei gegenüber der AfD kritisiert hat. Er hat nämlich gesagt, man sollte nie versuchen, das Stinktier zu überstinken. Es ist schade, dass ihm das erst aufgefallen ist, nachdem er sein Mandat verloren hatte, und dass er nicht schon während des Wahlkampfs deutliche Worte gefunden hat. Deswegen sage ich: Es ist eine bedrohliche Entwicklung, dass offen neofaschistische und rechtspopulistische Kräfte in vielen Ländern Europas Zulauf haben.

Dass in der hessischen CDU über die Zusammenarbeit mit der AfD diskutiert wird, zeigt eines ganz deutlich: Die Hessen-CDU hat eine offene Flanke nach rechts außen. Es ist einfach ein Armutszeugnis, wenn dem Ministerpräsidenten dazu nichts anderes einfällt, als zu sagen: Die Frage stellt sich jetzt nicht. – Eine inhaltliche Klarstellung sieht anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Manfred Pentz (CDU): Es ist unglaublich, was Sie da erzählen! So etwas von unmöglich! Wider besseres Wissen!)

Ich komme zum Schluss. Das Programm der AfD richtet sich gegen Arbeitnehmer, Erwerbslose und Rentner; es schürt Nationalismus und propagiert Sozialabbau und Lohnsenkungen. Deshalb ist die AfD sicher keine Alternative für Deutschland, sondern eine Gefahr von rechts. Es reicht aber nicht, rechte Parteien in Wahlkämpfen zu bekämpfen. Vielmehr ist das eine tagtägliche Aufgabe.

Nötig ist es, rassistischen Parolen etwas entgegenzusetzen und die Mobilisierung gegen Flüchtlingsunterkünfte und die Hetze gegen Homosexuelle zurückzuweisen. Das ist notwendig, statt Wahlkämpfe auf Kosten von Minderheiten zu führen und damit Vorurteile zu schüren. Wer in Wahlkämpfen mit Parolen wie: „Wer betrügt, der fliegt“, Stimmung auf Kosten von Migranten macht, macht sich leider zum Wahlhelfer rechter Parteien. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)