Biblis-Rückbau: Sorgen in der Region ernst nehmen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Drei Jahre nach der Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis muss sich der Landtag mit den Spätfolgen dieser energiepolitischen Verirrung befassen. Wir müssen uns befassen mit den finanziellen Folgen, die die rechtswidrige Stilllegung von Biblis hat. Wir müssen uns befassen mit der Lagerung des atomaren Mülls, der über Hunderttausende von Jahren sicher aufbewahrt werden muss, und wir müssen uns auch damit befassen, wie die Reaktoren jetzt zurückgebaut werden. Wir diskutieren heute zwei Anträge zum Thema Bürgerbeteiligung beim Rückbau des AKW Biblis. Zumindest heißen beide Anträge so.

 

Ich will aber schon darauf hinweisen, dass der Begriff der Beteiligung in beiden Anträgen sehr unterschiedlich verstanden wird. Die südhessischen Bürgerinitiativen fordern einen Beirat unter anderem aus Kommunen, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen, dem alle Informationen zugänglich gemacht werden müssen. Ich will sagen, das unterstützen wir als LINKE ausdrücklich, und wir freuen uns, dass die SPD in ihrem Antrag die wesentlichen Forderungen der südhessischen Bürgerinitiativen aufgreift.

 

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

 

Dagegen will die Koalition jedem Bürger lediglich die Möglichkeit zur Stellungnahme in einer öffentlichen Erörterung einräumen. Schwarz-Grün will irgendwann im Herbst zu einer Audienz laden und sich gnädig die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern anhören.

 

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

– Sie können gleich etwas dazu sagen, Frau Kollegin Dorn. – Weiter gehende Rechte oder Selbstverpflichtungen zur Herstellung von Transparenz sehen Ihr Antrag und auch der Koalitionsvertrag nicht vor. Das ist auch interessant, weil die grüne Landtagsfraktion unter anderem gemeinsam mit uns als Landtagsfraktion und ganz vielen anderen Initiativen und Organisationen im Jahr 2012 die sogenannte Bensheimer Erklärung unterstützt hat, in der eine deutlich weiter reichende Informationspolitik und Beteiligung einer kritischen Öffentlichkeit gefordert wurde.

 

(René Rock (FDP): Lange her!)

 

– Lange ist es her. Das war noch, bevor die GRÜNEN in die Regierung gegangen sind. – Ich will deutlich sagen: Für uns gilt, was wir vor der Wahl auch gesagt haben, dass wir nämlich die Forderung nach einem öffentlichen unabhängigen Beirat, dem auch unabhängige Fachleute angehören, unterstützen. Ein solcher Beirat muss auch Zugriff auf alle Informationen bezüglich des Rückbaus erhalten. So ein Beirat muss natürlich auch mit den notwendigen Finanzmitteln ausgestattet werden, um beispielsweise Gutachten einholen und überhaupt arbeiten zu können.

 

Die Herausforderungen beim Strahlen- und Katastrophenschutz in Biblis sind groß und verdienen die größtmögliche öffentliche Kontrolle. Im Abklingbecken liegen weiter die Brennelemente. Ein völlig unzureichend geschütztes Zwischenlager in Leichtbauweise gefährdet die Bevölkerung. Meine Damen und Herren, ich denke, der gestrige Fukushima- Jahrestag sollte uns doch mahnen, auch die unwahrscheinlich klingenden Fälle wie Flugzeugabstürze mit zu bedenken. Beim Rückbau der Reaktoren – darauf hat der Kollege Schmitt schon hingewiesen – fallen erhebliche Mengen kontaminierten Materials an. Messstationen in der Umgebung müssen die Belastung überwachen. Diese Daten müssen öffentlich zugänglich sein.

 

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

 

Auch ein stillgelegtes Atomkraftwerk bleibt also gefährlich. Wir verstehen daher die berechtigten Sorgen in der Region. Die Durchführung dieses hochkomplexen Rückbaus liegt in der Hand von RWE. Das ist keine hoheitliche Stelle, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen, das zu dieser Aufgabe verpflichtet ist – ich will noch hinzufügen: ein Unternehmen, das derzeit in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Landesregierung steht. Ich halte es deshalb für umso wichtiger, dass die Politik und die Öffentlichkeit diesem Konzern dabei genau auf die Finger schauen.

 

RWE wurde, wie auch die anderen Atomkonzerne, über Jahrzehnte massiv staatlich subventioniert, fuhr damit Milliardengewinne ein. Aus diesen subventionierten Gewinnen wurden Rücklagen gebildet, die nochmals subventioniert wurden, weil sie steuerbefreit waren. Allein diese Steuerbefreiung der Rücklagen hat den deutschen Atomkraftwerkbetreibern einen Vorteil von etwa 50 Milliarden € verschafft. Wenn jetzt RWE Milliardenverluste durch die Energiewende beklagt – was sie ja tun –, dann bestärkt das unsere Forderung, dass diese Rücklagen aller AKW-Betreiber in einen öffentlichen Fonds überführt werden müssen, um dieses Geld unter öffentliche Kontrolle zu stellen und es vor allem auch zu sichern.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Alles in allem gibt es sehr gute Gründe, beim Rückbau genau hinzuschauen und die Sorgen in der Region sehr ernst zu nehmen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist meiner Meinung nach dafür zu unverbindlich. Er ist nicht ausreichend, weil er nicht klar benennt, welche Rechte, welche Kompetenzen, welche Finanzmittel denn zur Verfügung gestellt werden, und weil er eine öffentliche Anhörung und keinen Beirat in dieser Form vorsieht. Ich finde, der SPD-Antrag greift hingegen die berechtigten Forderungen der Bürgerinitiativen auf. Deshalb werden wir dem SPD-Antrag auch zustimmen. – Vielen Dank.

 

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)