Partikeltherapie: Privatisierung der Unikliniken war ein großer Fehler

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Welch große Versprechungen wurden damals gemacht, als das Uniklinikum Gießen und Marburg 2006 privatisiert wurde; und eines dieser großen Versprechen, die damals gemacht wurden, war das Partikeltherapiezentrum. Mit diesem Strahlenverfahren sollten Krebstumore präziser und mit weniger Nebenwirkungen behandelt werden als mit herkömmlicher Bestrahlung. Es war davon die Rede, dass damit bis zu 2.000 Menschen im Jahr behandelt werden könnten.

 

Ich will einmal daran erinnern, dass Roland Koch, der damalige Ministerpräsident, beim Richtfest 2008 erklärt hat, in Marburg entstehe nun ein Leuchtturm zur Versorgung schwer kranker Patienten, der dafür sorgen werde, dass Marburg ein über die Landesgrenzen hinaus bekanntes Gesundheitszentrum werde.

 

Auch der damalige Vorstandsvorsitzende der Rhön-Klinikum AG, Herr Pföhler, auch ein Parteifreund von Roland Koch, hat damals erklärt, die Partikeltherapieanlage hätte eine Strahlkraft über die Region hinaus. Und er sagte: „Mit diesem Leuchtturmprojekt beweisen wir, dass wir verlässliche Partner für Politik und Wissenschaft sind und vertrauensvoll gemeinsame Ziele in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verfolgen“.

 

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Hört, hört!)

 

Meine Damen und Herren, ich habe das noch einmal vorgelesen, um in Erinnerung zu rufen, was für ein großes Versprechen damals, 2006, gemacht wurde; und, ich glaube, jetzt können wir feststellen: Als verlässlicher und vertrauensvoller Partner hat sich die Rhön AG nun definitiv nicht erwiesen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Ganz im Gegenteil: Die Rhön AG ist vertragsbrüchig geworden. Das Partikeltherapiezentrum ist eben nicht, wie es vertraglich vereinbart war, zum 31.12.2012 in Betrieb gegangen. Aber statt dass die Landesregierung das zum Anlass genommen hätte, die 107 Millionen € an Investitionskostenzuschüssen von der Rhön-Klinikum AG zurückzufordern, hat man damals mit der Rhön AG einen Kuhhandel gemacht und verhandelt, dass man die Frist noch einmal bis Ende Februar 2014 aufschiebt, nämlich bis nach der Landtagswahl, weil sich Schwarz-Gelb mit dem Thema offensichtlich nicht mehr auseinandersetzen wollte, ein bisschen nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut“.

 

Die Landesregierung hat nicht nur die Frist zur Inbetriebnahme verlängert, sondern hat sich auch verpflichtet, eben bis Ende Februar auf das Einklagen der 107 Millionen € zu verzichten. Zudem wurde der Rhön AG noch ein Investitionskostenzuschuss in Höhe von 13 Millionen € zugesagt, sozusagen als Dankeschön dafür, dass die Rhön AG vertragsbrüchig geworden ist, und das, obwohl die damalige Ministerin Kühne-Hörmann immer versichert hat: ohne Partikeltherapiezentrum keine Investitionskostenzuschüsse. – Jetzt ist auch diese Frist verstrichen, und wir fordern von der Landesregierung, dass sie diesen Investitionskostenzuschuss sofort von der Rhön-Klinikum AG zurückverlangt.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Wir verlangen auch, dass die Landesregierung eingesteht, dass die Privatisierung des Uniklinikums ein schwerer Fehler war.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Diese Privatisierung ist gescheitert. Der Leuchtturm ist längst eingestürzt. Deswegen bleiben wir dabei: Unikliniken, Kliniken insgesamt, gehören in die öffentliche Hand. Sie gehören nicht in die Hände von privaten Aktiengesellschaften, weil die natürlich anderem verpflichtet sind als dem Wohl der Patienten.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Wir haben in den letzten Jahren erlebt, wie sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben und eine zunehmende Arbeitsverdichtung zu beobachten ist. Damit die Privatisierungen und die Gewinnerzielungsabsichten von Aktiengesellschaften nicht immer wieder auf die Knochen der Beschäftigten gehen und damit es in Kliniken gute Arbeitsbedingungen gibt, haben wir immer wieder von der Landesregierung gefordert, verbindliche Personalmindeststandards einzuführen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

In Wahrheit wissen Sie selbst, dass diese Privatisierung gescheitert ist. Ich erinnere an die Worte der damaligen Ministerin Kühne-Hörmann, die gesagt hat, als es um die Übernahme durch Fresenius ging: „Alles ist besser als Rhön.“ Ich würde sagen: Wenn man die eine Aktiengesellschaft durch die andere austauscht, macht es das nicht besser. – Aber allein dieser Satz der Ministerin ist ein Eingeständnis des Versagens der Landesregierung.

 

Ich muss jetzt doch noch einmal zwei Sätze zu dem Kollegen May sagen: Es ist schon interessant, wie zwei Ministersessel die Wahrnehmung erheblich verändern können. Ich erinnere Sie noch einmal daran, wie Sie oder die Kolleginnen Sorge und Schulz-Asche Reden über eingestürzte Leuchttürme gehalten haben und diese Privatisierung grundsätzlich und auch den Umgang der Landesregierung mit dem Partikeltherapiezentrum kritisiert haben.

 

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

Nicht einmal zwei Monate nachdem Sie in der Landesregierung sind, stellen Sie sich hierhin und halten Reden, die vorher von Schwarz-Gelb hätten gehalten werden können.

 

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Unruhe)

 

Die Frage „Privatisierung ja oder nein?“ ist noch nicht vom Tisch. Sie wissen, dass in den Verträgen eine Change-of- Control-Klausel enthalten ist, die jederzeit greifen kann. Deswegen gibt es einen einstimmigen Beschluss des Ausschusses, dass die Landesregierung aufgefordert wird, genau einen solchen Fall vorzubereiten. Das tut diese Landesregierung offensichtlich überhaupt nicht.

 

(Karin Wolff (CDU): Wollen Sie nun die Patienten behandeln oder nicht?)

 

Vizepräsidentin Ursula Hammann: Kommen Sie bitte zum Ende.

 

Janine Wissler (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss. – Für die Rede des Kollegen May gilt der Satz, den die „Frankfurter Rundschau“ über das Verhalten der GRÜNEN in der letzten Plenarwoche geschrieben hat: Öffentliche Selbstverleugnung … ist kein Gewinn für die politische Kultur. Vielen Dank.

 

(Beifall bei der LINKEN)