Lärmschutz am Frankfurter Flughafen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Seit 2007 versprechen die Deutsche Flugsicherung, die Fraport und die Landesregierung auf Basis von freiwilligen Selbstverpflichtungen eine Lärmminderung am Flughafen. 2007 wurde der Anti-Lärm-Pakt beschlossen, 2010 wurde das Maßnahmenpaket Aktiver Schallschutz vorgestellt und zuletzt 2012 der Pakt gegen Fluglärm. Es mag in dieser Zeit einiges am Frankfurter Flughafen passiert sein, aber leiser geworden ist es in den letzten sieben Jahren ganz sicher nicht, ganz im Gegenteil. Durch den Flughafenausbau ist das verlärmte Gebiet enorm angewachsen, und das, obwohl sich die Zahl der Flugbewegungen sogar reduziert hat. Das muss man erst mal schaffen, bei einer geringeren Zahl von Flugbewegungen eine größere Region zu verlärmen.

 

Die Leidtragenden sind die Menschen in der Region, insbesondere diejenigen, die in der Einflugschneise leben. Sie können ihre Fenster kaum noch öffnen, ihre Gärten nicht mehr nutzen, und sie werden morgens um fünf aus dem Schlaf gerissen oder auch mitten in der Nacht, weil das Nachtflugverbot mal wieder unterlaufen wird. Meine Damen und Herren, ich sage: Dieser Zustand ist gesundheitsgefährdend, er sorgt für eine Einbuße an Lebensqualität und ist deswegen überhaupt nicht tragbar.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Jetzt gibt es neue Versprechen der schwarz-grünen Landesregierung, die sogenannten Lärmpausen und Lärmobergrenzen. Im Wahlprogramm der GRÜNEN hieß es zum Thema „Fluglärm“ noch – Zitat: „So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ Ich stelle fest: Das wird es wohl auch nicht, denn so, wie der Koalitionsvertrag gestrickt ist, wird es vermutlich noch viel lauter.

 

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

 

Das, was Sie beim Flughafen ausgehandelt haben, ist eine Farce. Statt einem absoluten Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, das die GRÜNEN im Wahlkampf versprochen haben, werden jetzt regelmäßige siebenstündige Lärmpausen in Aussicht gestellt. Das muss aber erst noch mit der Deutschen Flugsicherung und Fraport verhandelt werden. Nicht mal das ist überhaupt sicher. Dann kann man bei Ihnen nachlesen, dass Sie siebenstündige Lärmpausen „durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen“ für möglich halten. Ich will allerdings darauf hinweisen, dass genau dieses Vorhaben in der Praxis ein paar Probleme aufwirft: Auf der umstrittenen Nordwestbahn dürfen – darauf ist schon hingewiesen worden – die ganz großen Flugzeuge gar nicht landen. Dieses Betriebsverbot für die Nordwestbahn ist im Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich festgeschrieben worden. Nun ist in einer durchschnittlichen Nacht von 22 bis 23 Uhr mit vier und in der Zeit von 5 bis 6 Uhr mit sieben der ganz großen Flugzeuge zu rechnen, die immer auf der Südbahn landen müssen. Die Südbahn kann also überhaupt nicht geschlossen werden. Somit stellt sich die Frage, wie die Menschen in dem Anflugbereich eine längere Lärmpause erhalten können.

 

Damit ist klar: Die Nordwestbahn könnte entlastet werden, aber nur, wenn alle Landungen in den sogenannten Nachtrandstunden auf die Südbahn gelegt würden. Das ist aber nur an Tagen möglich, an denen die Zahl der Flugbewegungen in den Nachtrandstunden den aktuellen Stand von ca. 70 nicht wesentlich überschreitet, Herr Minister Al-Wazir. Im Planfeststellungsbeschluss wurden für die sogenannten Nachtrandstunden 133 Flugbewegungen genehmigt. Wenn man die erreichen würde, dann wären siebenstündige Lärmpausen überhaupt nicht möglich, weil man 133 Flugbewegungen nicht auf einer Bahn abwickeln kann.

 

(Michael Boddenberg (CDU): Was Sie so alles wissen! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, das ist beeindruckend, Herr Boddenberg!)

 

Es gäbe also die Möglichkeit der Lärmpausen nur für die Nordwestbahn und nur dann, wenn die Flugbewegungen in den Nachtrandstunden die Zahl 70 nicht nennenswert überschreiten.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Der Minister hat selbst richtig darauf hingewiesen, dass es sich mitnichten um eine Lärmreduzierung handelt, sondern nur um eine Umverteilung von Lärm. Wenn die Bahnen in den sogenannten Nachtrandstunden abwechselnd genutzt würden, hätten zwar die einen mal etwas länger Ruhe, deswegen wäre es aber woanders umso lauter, es sei denn, die Landesregierung würde wirklich erwägen, die Betriebsgenehmigung für die Nordwestbahn und damit den angeblich in Stein gemeißelten Planfeststellungsbeschluss zu ändern. Jetzt kann man im Koalitionsvertrag nachlesen – der Kollege Weiß hat auch schon darauf hingewiesen –: „Für den Fall, dass dieses Ziel (siebenstündige Nutzungspausen) nicht in angemessener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner“ – also Schwarz-Grün – „Initiativen für eine entsprechende Planänderung bzw. modifizierte Betriebsgenehmigung vor.“

 

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Geht also doch!)

 

Da sagen wir: Wer den angeblich in Stein gemeißelten Planfeststellungsbeschluss für längere Lärmpausen von sieben Stunden an wechselnden Orten ändern kann, der kann ihn auch ändern, um ein Nachtflugverbot von acht Stunden durchzusetzen, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Die Bürgerinitiativen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Planfeststellungsbeschluss eben nicht bestandskräftig ist, dass immer noch Klagen anhängig sind. Darauf muss man immer wieder hinweisen. Es gibt ein juristisches Gutachten, das zu dem Schluss kommt, dass eine Änderung sehr wohl möglich wäre.

 

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

 

Weniger Lärm wird es nur geben, wenn es weniger Flugbewegungen gibt; denn auch die Lärmemissionen der heute leisesten Flugzeuge holen die Menschen bei Starts und Landungen nachts aus den Betten. Ich finde, man sollte aufhören, den Menschen die Hoffnung zu machen, dass sich das Problem durch leises Fluggerät irgendwann von selbst lösen würde. Leise Flugzeuge gibt es nicht. Auch die leisesten Flugzeuge erzeugen Lärm, der gesundheitsschädlich ist. Deswegen muss der Lärmschutz an allererster Stelle stehen, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

 

Wer die Gesundheit der Menschen schützen will, muss die Anzahl der Flugbewegungen auf einem Niveau deutlich unterhalb der genehmigten 700.000 Flugbewegungen jährlich begrenzen. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag nur, man wolle unterhalb der 700.000 Flugbewegungen bleiben. So unkonkret, wie das formuliert ist, ist durchaus eine weitere Steigerung der Flugbewegungen möglich. Derzeit sind es nicht mal 500.000 jährlich. Wenn Sie lediglich unter 700.000 bleiben wollen, würde das bedeuten, dass man die Zahl der Flugbewegungen laut Ihrem Koalitionsvertrag noch um ein Drittel steigern könnte.

 

Das Grundproblem ist, dass durch den Koalitionsvertrag am Frankfurter Flughafen keine einzige Maschine weniger fliegt. Der Lärm wird lediglich umverteilt. Dabei – das müssen wir feststellen – sind die Grenzen des Wachstums lange überschritten. Wir haben es nun mal mit einem Flughafen zu tun, der inmitten eines Ballungsgebietes immer weiter ausgebaut wurde. Die Grenzen der Belastbarkeit sind überschritten. Die Gesundheit der Menschen muss Vorrang haben vor den Profitinteressen der Fraport und der Lufthansa.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Nun hat die SPD einen Antrag vorgelegt, der ein bisschen nach dem Motto verfährt: Fragend schreiten wir voran. – In der Tat wirft die SPD eine Reihe von berechtigten Fragen auf, ohne selbst Stellung zu beziehen. Ich hätte mir gewünscht, die SPD hätte so viele kritische Fragen gestellt, bevor sie dem Ausbau des Frankfurter Flughafens zugestimmt hat.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Damals haben Sie leider den Prognosen von Fraport Glauben geschenkt und dem Ausbau zugestimmt. Damals wäre es sinnvoll gewesen, auch die Bürgerinitiativen zu hören und sich klar gegen einen Flughafenausbau zu positionieren. Ich muss schon sagen – an der Stelle muss ich dem Minister ein Stück weit recht geben –: Es ist ein bisschen schwierig, wenn die SPD gleichzeitig die CDU dafür kritisiert, dass sie die Wirtschaftskraft am Flughafen gefährdet, und die GRÜNEN dafür, dass sie den Lärmschutz unzureichend umsetzen. Ich glaube, man muss sich da für eine Seite entscheiden. Wir haben das getan. DIE LINKE hat eine ganz klare Position.

 

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

 

Die kann man falsch finden, aber wir haben eine klare Position. Wir eiern hier nicht rum, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Die FDP hingegen hat mit ihrem Antrag und mit dem Auftritt von Herrn Rentsch einmal mehr deutlich gemacht, wo sie steht, nämlich dass sie ein verlässlicher Partner der Luftverkehrswirtschaft ist. Sie haben sich hier geriert, als seien Sie das letzte Bollwerk gegen den Sozialismus in Hessen, Herr Rentsch.

 

(René Rock (FDP): So ist es!)

 

Nach Ansicht der FDP – so haben Sie es im Antrag geschrieben – sollte allein die Fraport über einen sinnvollen Zeitpunkt für den Bau von Terminal 3 entscheiden,

 

(René Rock (FDP): Wer denn sonst?)

 

in einem Rechtsstaat dürfe die Landesregierung keinen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Fraport nehmen. Da frage ich Sie: Wem gehört denn die Fraport? – Sie ist mehrheitlich im öffentlichen Besitz. Es ist doch die Politik, die den Luftverkehr durch günstige Rahmenbedingungen privilegiert. Müssten die Fluggesellschaften eine angemessene Steuer auf Kerosin zahlen oder müsste der Flughafenbetreiber selbst für die Kosten des Schallschutzes aufkommen, dann sähe die Sache ganz anders aus.

 

Herr Rentsch, gegen diese staatliche Privilegierung des Luftverkehrs haben Sie doch überhaupt nichts. An dieser Stelle ist es doch der FDP völlig wurscht, dass dort nicht marktwirtschaftliche Mechanismen greifen, sondern dass dort der Luftverkehr subventioniert wird. Wenn Sie fordern, der Staat solle sich heraushalten, dann setzen Sie sich doch einmal dafür ein, dass diese unzulässige Privilegierung des Luftverkehrs endlich abgebaut wird.

 

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

 

Noch wichtiger als die Frage: „Wem gehört der Flughafen?“, ist die Frage: „Wem gehört eigentlich diese Region?“ Dazu sage ich: Diese Region gehört den Menschen, die hier leben. Die haben ein Recht auf Gesundheitsschutz und auf eine hohe Lebensqualität. Da kann es nicht sein, dass dieser Flughafen die Region immer weiter verlärmt.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Ein Letztes. Ich halte es für einen schlechten Witz, dass sich ausgerechnet die FDP hierhin stellt und zum Anwalt der Beschäftigten aufschwingt. Wenn Sie etwas für die Beschäftigten am Frankfurter Flughafen tun wollen, dann setzen Sie sich dafür ein, dass die prekären Beschäftigungsverhältnisse zurückgedrängt werden. Setzen Sie sich einmal dafür ein, dass nicht immer mehr Beschäftigte zu Niedriglöhnen und in befristeten Arbeitsverhältnissen arbeiten. In der letzten Woche hat vor dem Landtag eine ganze Menge von Mitarbeitern der Zeitungshändler am Frankfurter Flughafen demonstriert. Warum? Weil sie am Frankfurter Flughafen 20 % unter Tarif bezahlt werden und weil ihnen die branchenüblichen Zuschläge verwehrt werden. Deswegen haben sie hier demonstriert. Und niemand von der FDP war dort, um diese Beschäftigten zu unterstützen. Das ist das Problem.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Sie instrumentalisieren – –

Vizepräsidentin Heike Habermann: Frau Kollegin Wissler, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

 

Janine Wissler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich komme zum Schluss. Die Koalition könnte handeln und Lärm reduzieren. Was sie tun müsste, liegt auf der Hand, steht aber leider nicht im Koalitionsvertrag. Dazu müsste man Flugbewegungen reduzieren. Wir sind der Meinung, der Bau des Terminals 3 muss sofort gestoppt werden. Die Nordwestlandebahn muss geschlossen werden. Sie ist eine völlige Fehlplanung. Weder sind 100.000 Arbeitsplätze entstanden noch die prognostizierte Zahl von Flugbewegungen. All das war Lug und Trug.

Frau Präsidentin, letzter Satz: Wir werden die Proteste der Bürgerinitiativen weiter unterstützen. Demnächst findet die 100. Montagsdemonstration am Frankfurter Flughafen statt. Wir wünschen den Bürgerinitiativen alles Gute und vor allem einen langen Atem im Kampf gegen Fluglärm. – Vielen Dank.

 

(Beifall bei der LINKEN)