Ministerpräsident muss sich von Irmer distanzieren
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Das war eben wirklich eine eindrucksvolle Demonstration davon, was Schwarz-Grün offensichtlich unter dem neuen Stil versteht. Zwei Wochen in der Regierung, und schon sind die GRÜNEN der Meinung, Mehrheit ist Wahrheit.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der FDP)
Wir haben diesen Antrag eingebracht, weil wir der Meinung sind, der Landtag muss Stellung nehmen und darf nicht schweigen, wenn ein Abgeordneter Ressentiments und Vorurteile in einer solchen Weise schürt, wie Herr Irmer das immer wieder tut. Wer sich derart als Stichwortgeber für rechts außen betätigt, der vergiftet ganz bewusst das politische Klima und profiliert sich auf Kosten von Minderheiten.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)
In dieser Woche hat Herr Irmer eine Kreistagsdebatte zur Unterbringung von Flüchtlingen im Lahn-Dill-Kreis dazu missbraucht, Stimmung gegen angeblichen Asylmissbrauch und die Einwanderung in die Sozialsysteme zu machen. Herr Irmer, Sie wissen ganz genau: Diese Vorurteile halten keiner einzigen Statistik stand. Trotzdem verbreiten Sie sie wider besseres Wissen. Ich halte das wirklich für armselig. Flüchtlinge gehören zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft. Sie haben kaum Rechte. Sie haben ihr Zuhause verloren. Oft haben sie Angehörige zurückgelassen. Viele von ihnen sind traumatisiert: durch Gewalt, Krieg und Flucht. Wie armselig ist es, wenn man meint, sich auf Kosten von Flüchtlingen profilieren zu müssen, Herr Irmer,
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)
und das als Mitglied einer Partei, die sich christlich nennt? Sie sollten sich wirklich schämen. Derzeit gibt es an vielen Orten rechtsradikale Mobilisierungen gegen Flüchtlingsunterkünfte – und Sie schütten auch noch Öl ins Feuer und fangen eine solche Diskussion an. Das ist doch Wasser auf die Mühlen der NPD – und genau die hat Sie am Montag einmal mehr gelobt, wie schon so oft. Herr Irmer, das muss Ihnen doch einmal zu denken geben. Aber Sie fischen ganz bewusst am rechten Rand. Es ist auch nicht das erste Mal. Vor einiger Zeit haben Sie gefordert, Deutschland brauche weniger und nicht mehr Muslime. Dem Berliner Senat haben Sie vorgeworfen, er würde das „Zigeunerproblem nicht lösen“ wollen. Ich will darauf hinweisen: Ein Stockwerk unter uns haben wir gerade eine Ausstellung zum Thema Antiziganismus.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)
Die Formulierung, etwas „lösen“ zu wollen, und das auf eine Bevölkerungsgruppe zu beziehen – Herr Irmer, vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte halte ich das für absolut ungeheuerlich.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)
Im „Wetzlar Kurier“ werden in jeder Ausgabe Ressentiments geschürt und Vorurteile verbreitet. Im Januar: „Islamische Verbände haben Grundgesetz nicht verstanden“, in der aktuellen Ausgabe machen Sie seitenweise Stimmung gegen Asylbewerber. Da kann einem wirklich schlecht werden. Der Herr Ministerpräsident – er ist nicht da, es scheint ihm nicht so sehr am Herzen zu liegen – erklärt noch am Dienstag, er wolle die Willkommenskultur in Hessen stärken. Da frage ich: Warum, bitte, ist Herr Irmer dann immer noch stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU? Warum sorgt Herr Bouffier als Landesvorsitzender der CDU nicht dafür, dass der „Wetzlar Kurier“ endlich eingestellt wird? Warum lässt er es zu, dass immer weiter solche Hetze im Lahn-Dill-Kreis verbreitet wird?
(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Hans- Jürgen Irmer (CDU))
Sie reden von Willkommenskultur und lassen es zu, dass Herr Irmer all das konterkariert. Sie finden nie die Kraft, sich von solchen Aussagen zu distanzieren. Im Gegenteil, Sie befördern ihn auch noch und machen ihn wieder zum bildungspolitischen Sprecher – nachdem er zurückgetreten war, unter anderem wegen des islamischen Religionsunterrichts. Ganz offensichtlich ist das Ihr Beitrag zum Schulfrieden. Sie benennen einen Sprecher, mit dem sich sowohl die Landesschülervertretung als auch die GEW nicht mehr treffen wollten, nach all den verbalen Ausfällen gegen Homosexuelle, Migranten und Muslime. Sie wollten sich nicht mehr mit ihm treffen. Meine Damen und Herren, das macht Ihr ganzes Gerede von wegen neuem Dialog der Regierung mit der Opposition, Dialog über die Bildungspolitik doch völlig zunichte. Wer der Opposition ernsthaft die Hand reichen will, der schickt doch nicht Herrn Irmer.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)
Wenn das der neue Stil ist, dann gute Nacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, das ist jetzt auch einer Ihrer neuen Partner. Der gehört auch dazu.
(Günter Rudolph (SPD): Damit haben die kein Problem!)
Ich habe wirklich gehofft, Sie finden heute den Mut, diese Äußerungen zurückzuweisen, sich klar davon zu distanzieren. Ich weiß, Sie teilen diese Äußerungen nicht. Jetzt aber legen Sie einen Antrag vor, der mich vermuten lässt, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen werden. Ich komme zum Schluss. Ich finde, Sie sollten sich einen Satz zu Herzen nehmen, den Herr von Bebenburg heute in der „Frankfurter Rundschau“ geschrieben hat, womit er Ihr Auftreten von gestern kommentiert hat. Er schreibt – und ich finde, Sie sollten sich das zu Herzen nehmen –: „Öffentliche Selbstverleugnung ist … kein Gewinn für die politische Kultur.“
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)