Frieden und Gerechtigkeit für Gaza und den Nahen Osten

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Janine Wissler auf der Kundgebung
„Frieden und Gerechtigkeit für Gaza und den Nahen Osten"
am 26.7.2014 in Frankfurt


Liebe Freundinnen und Freunde,

 

wir gehen heute auf die Straße, weil wir die militärische Eskalation im Nahen Osten nicht schweigend hinnehmen wollen. 800 Menschen sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive in Gaza getötet worden, Tausende wurden verwundet, 10.000e sind auf der Flucht. Die humanitäre Lage in Gaza verschlechtert sich von Tag zu Tag und Sicherheit vor den Bombardierungen gibt es nicht, denn auch Krankenhäuser, Schulen und Einrichtungen der UN werden zu Zielen. Deshalb lasst uns heute ein Zeichen der Solidarität nach Gaza senden.

 

Sofortiger Waffenstillstand ist nötig
Die israelische Regierung sagt, sie warne die Zivilisten vor den Angriffen und fordere sie auf ihre Häuser zu verlassen. Aber wo sollen die Menschen denn hin im abgeriegelten Gaza-Streifen? Und selbst wenn sie fliehen, sind sie deshalb noch lange nicht sicher, wie die tragische Geschichte der deutschen Familie Kilani zeigt.

 

Die Familie folgte den Warnungen, sie verließ ihren Heimatort und flüchtete nach Gaza-Stadt, wie es die israelische Armee empfohlen hat. In einer Wohnung im Friedensturm kamen sie unter. Nur wenige Stunden später feuerte ein israelischer Kampfjet mindestens zwei Raketen auf das Hochhaus – ohne Vorwarnung. Der Turm stürzte zusammen und riss die die Eltern und ihre fünf Kinder in den Tod. Ihrer gedenken wir heute, wie allen anderen Toten. Die allermeisten Toten in diesem Krieg sind unschuldige Zivilisten wie diese deutsch-palästinensische Familie.

 

Dieses Sterben muss ein Ende haben und deshalb fordern wir einen sofortigen Waffenstillstand. Die israelische Regierung muss den Einsatz von Kampflugzeugen und die Zerstörung Gazas sofort vollständig stoppen, nicht nur für wenige Stunden.
Und auch der Raketenbeschuss israelischer Siedlungen und Städte durch die Hamas, der die israelische Bevölkerung in Angst und Unsicherheit versetzt, muss sofort eingestellt werden.

 

Der zwölfstündige Waffenstillstand, der gestern vereinbart wurde, ist ein Fortschritt, aber er reicht nicht aus.

 

Blockade des Gaza-Streifens aufheben
Dieser Krieg muss beendet werden, sonst droht eine humanitäre Katastrophe. Die Blockade des Gazastreifens muss endlich aufgehoben und die dringend benötigte humanitäre und medizinische Hilfe gewährleistet werden.

 

Den 1,8 Millionen Menschen im Gaza-Streifen fehlt es am Nötigsten. Der Gaza-Streifen ist eines der am dichtest besiedelten Gebiete auf der Welt und sämtliche Grenzübergänge sind seit vielen Jahren abgeriegelt. Es gibt keinen Hafen und keinen Flughafen, Menschenrechte wie Freizügigkeit und Reisefreiheit existieren nicht. Viele Wohngebäude sind nur noch Schutt und Asche und 60 Prozent der Palästinenser dort sind arbeitslos und viele verarmt, auch wegen der Blockade. Der Krieg verschlechtert ihre Lage noch dramatisch. Ohne Freiheit und eine Aufhebung der Blockade wird es langfristig keinen Frieden geben.

 

Lasst uns den Menschen in Gaza heute sagen: Ihr seid nicht allein. Die Welt weiß um euer Schicksal, wir haben Teil an eurem Leid und wir treten dafür ein, dass das Blutvergießen aufhört.

 

Die israelische Regierung sagt, sie wolle mit ihrer Militäroffensive das Tunnelsystem zum Gaza-Streifen zerstören. Aber das ginge ohne Krieg und Militär. Die zweitausend Tunnel, die es schätzungsweise gibt, werden in der Mehrzahl gar nicht militärisch genutzt, darüber versorgen sich die Palästinenser mit dem Nötigsten. Denn nur einen Bruchteil der Waren, die dringend gebraucht wird, wird in den Gazastreifen gelassen, auch Trinkwasser ist ein knappes Gut.

 

Wenn Israel die Abriegelung des Gaza-Streifens aufhebt, die Blockade beendet und geregelte Grenzübergänge nach Israel und Ägypten eingerichtet werden, wäre damit der größte Teil des Tunnelsystems erledigt.

 

Bundesregierung muss sich für Waffenstillstand einsetzen
Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand, die Wahrung des Völkerrechts und die Beendigung der Gewalt in der Region einzusetzen. Rüstungsexporte in die gesamte Region müssen sofort gestoppt werden.

 

Die einseitige Parteinahme der Bundesregierung für die israelische Regierung ist ein Fehler, internationaler Druck auf Israel ist nötig, um den Krieg zu beenden. Dieser Konflikt ist nicht einseitig, aber er ist asymmetrisch.

 

Es gibt keine militärische Lösung
Das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza verstößt gegen das Völkerrecht und gegen die Menschenrechte. Und dieser Krieg wird nicht dazu führen, dass das Leben in Israel sicherer wird. Im Gegenteil. Militärische Gewalt löst keine Probleme, im Gegenteil.

 

Sie führt zu weniger Sicherheit in Israel und zu mehr Leid für die Menschen in Palästina. Wenn Menschen alles genommen wird, was sie haben, ihre Angehörigen, ihr Zuhause, ihre Gesundheit, dann bilden Leid und Wut den Nährboden für noch mehr Hass und mehr Terroranschläge. Das schwächt die Hamas nicht, sondern stärkt sie eher noch.

 

Durch die derzeitige Eskalation werden die Hardliner auf beiden Seiten gestärkt. Die Hamas ist nicht unumstritten in Gaza und es ist noch gar nicht lange her, da schrieben die Zeitungen davon, dass der arabische Frühling auch Gaza erreiche.

 

Jugendliche demonstrierten gegen die Perspektivlosigkeit und die soziale Misere, gegen die israelischen Besatzer, aber auch gegen die Hamas, in die sie keine Hoffnungen haben.

 

Langfristiger Frieden für den Nahen Osten
Wer heute gegen die Politik der israelischen Regierung demonstriert, der stellt sich damit nicht auf die Seite der Hamas. Ich habe gegen den Krieg in Afghanistan demonstriert, ohne die Taliban zu unterstützen. Und ich habe gegen den Irak-Krieg demonstriert, ohne deshalb Sympathien für Saddam Hussein zu hegen.

 

Alle Menschen im Nahen Osten haben ein Recht in Frieden und Freiheit zu leben. Unter der militärischen Eskalation und der massiven Bombardierung von Gaza durch das israelische Militär leidet vor allem die Zivilbevölkerung – in Palästina und in Israel.

Im Aufruf für die heutige Kundgebung heißt es: „Alle Länder in der Region haben das Recht friedlich, in sicheren und anerkannten Grenzen und ohne Gewaltandrohungen zu leben. Für uns ist das Existenzrecht Israels genauso wie das Recht des palästinensischen Volkes auf seinen eigenen Staat unbestreitbar. Wir grenzen uns eindeutig ab von jedem Vernichtungsaufruf gegen Israel."

 

Und ich will hinzufügen: Wir protestieren nicht gegen die Israelis, sondern gegen die Politik der israelischen Regierung. Auch in Israel gibt es kritische Stimmen gegen dieses Vorgehen, die fordern, dass das Blutvergießen endlich ein Ende haben muss.

 

Solidarität mit den israelischen Kriegsdienstverweigerern

Wir solidarisieren uns mit der israelischen Friedensbewegung und den Israelis, die den Kriegseinsatz verweigern. Es ist eine gute Nachricht, dass gerade 50 junge Israelis, vor allem Frauen, einen Protestbrief geschrieben haben, in dem sie sich weigern, als Reservisten zur Verfügung zu stehen. Sie kritisieren die aktuelle militärische Eskalation und die "Militarisierung der Gesellschaft", einer Gesellschaft, in der Kämpfe die Diplomatie ersetzt hätten.

 

Eine der Unterzeichnerinnen, Chen Tamir, sagt: "Wir haben diese Kriege schon zu oft erlebt. Wenn wir nicht in zwei Jahren schon wieder an demselben Punkt stehen wollen, müssen wir jetzt die Blockade des Gazastreifens und die Besatzung der palästinensischen Gebiete beenden. Wir brauchen eine politische Lösung, keine militärische." Recht hat sie und verdammt mutig ist sie.

 

Kein Platz für Antisemitismus
Es ist wichtig auch in Deutschland für den Frieden auf die Straße zu gehen und diese Demonstrationen dürfen nicht genutzt werden, um antisemitische Stimmungen zu schüren. Wir werden alle Versuche, die militärische Eskalation im Nahen Osten dafür nutzen, zurückweisen. Wir wollen nicht, dass Jüdinnen und Juden in unserer Stadt Anfeindungen ausgesetzt sind, sondern gemeinsam gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus kämpfen. Antisemiten, Rassisten und Neo-Nazis können für uns keine Bündnispartner sein.

 

Auch Gleichsetzungen der Ereignisse in Gaza mit der Vernichtung der europäischen Juden im Dritten Reich und Relativierungen des Holocaust weisen wir zurück.

 

Ich will aber auch hinzufügen: Es darf nicht der Fehler gemacht werden, jede Kritik an Israel leichtfertig als Antisemitismus zu bezeichnen.

 

Refuse to be enemies
Wir wollen eine Welt, in der alle Menschen in Gerechtigkeit, in Frieden, in Würde und in Freiheit miteinander leben können. Wir sind solidarisch mit allen Menschen, die sich für einen gerechten Frieden in Nahost einsetzen. Denn dieser Konflikt wird so lange Opfer fordern, bis eine wirkliche Lösung gefunden ist, damit alle Menschen in der Region in Frieden, ohne Angst und Unterdrückung leben können. Viele Araber und Juden haben in den letzten Tagen im Internet gemeinsame Fotos gepostet. Unter dem Motto „Refuse to be enemies" – „Wir weigern uns Feinde zu sein" – haben sie sich zu ihrer Freundschaft oder ihrer Liebe bekannt.

 

In diesem Sinn: Für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, für Frieden in Israel und Palästina, für Gerechtigkeit. Hoch die internationale Solidarität!

 

Die Rede zum nachhören:

http://www.youtube.com/watch?v=Myzoa7C8QnE&feature=youtu.be

 

Weitere Infos:

Der Aufruf für die Kundgebung ist hier nachzulesen

 

Galerie:

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