Janine Wissler zum Corona-Hochschulbetrieb
In seiner 44. Plenarsitzung am 23. Juni 2020 diskutierte der Hessische Landtag zum zweiten Mal über den Erlass einiger Rechtsverordnungen, die es den hessischen Hochschulen erlauben sollen, zukünftig besser auf Pandemien, wie beispielsweise das Coronavirus zu reagieren. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und wissenschaftspolitischen Sprecherin Janine Wissler.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Dieses Semester ist zweifelsohne ein absolutes Ausnahmesemester. Wir haben beim letzten Mal schon darüber gesprochen. Es hat enorme Belastungen für die Studierenden mit sich gebracht. Viele haben ihre Nebenjobs verloren. Viele haben ihre Angebote für Kinderbetreuung verloren und mussten im Homeoffice mit digitalen Seminaren ihren Alltag völlig neu strukturieren. Bei vielen kamen Existenznöte und -sorgen hinzu. Natürlich ist das auch für die Beschäftigten an den Hochschulen eine enorme Umstellung und eine große Herausforderung gewesen, die viele mit sehr viel Engagement und Mehrarbeit sehr gut gemeistert haben, um überhaupt digitale Angebote bereitzustellen. Insofern geht auch von unserer Seite ein herzliches Dankeschön an all diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass es in diesem Semester noch Lehrangebote gab.
(Beifall DIE LINKE)
Richtig ist, dass viele Studierende Existenznöte haben. Deshalb haben wir über Soforthilfeprogramme diskutiert. Das, was wir bisher haben, ist leider noch nicht ausreichend. Mit diesem Gesetzentwurf soll zu drei Punkten eine Regelung gefunden werden. Dies betrifft zum einen die Regelstudienzeit, die um ein Semester ausgeweitet werden soll. Damit wurde der Forderung von Studierenden Rechnung getragen, dieses Semester quasi als Nichtsemester zu betrachten, sodass das BAföG ein Semester länger bezogen werden kann. Außerdem geht es um die befristet Beschäftigten sowie um Onlineprüfungen. Da brauchen sowohl die Hochschulen als auch die Studierenden Rechtssicherheit. Da die Bundesebene hierzu keine Regelung getroffen hat, müssen wir nun zügig eine Regelung schaffen. Der Zeitdruck ist natürlich immens. Schließlich steht die Prüfungsphase an. Deshalb brauchen wir jetzt Lösungen.
Herr Dr. Büger, grundsätzlich haben Sie natürlich recht, wenn Sie sagen, dass der Umgang der Landesregierung mit der Opposition nicht immer ganz korrekt ist – um es einmal vorsichtig zu sagen.
(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Freie Demokraten)
In diesem Fall bin ich aber der Meinung, dass das kein Beispiel dafür ist. Die Ministerin hat zu einem Obleutegespräch eingeladen. Wir haben das hier diskutiert. Wir haben das im Ausschuss diskutiert. Wir haben Stellungnahmen von den Hochschulpräsidien eingeholt. Sie haben sich alle sehr zustimmend dazu geäußert und gesagt: Ja, das brauchen wir jetzt. – Außerdem haben Sie uns den Verordnungsentwurf zugeschickt, noch bevor dieser zur Verordnung wurde. Die Zusage der Transparenz haben Sie also eingehalten.
Deshalb habe ich kein Problem mit diesem Verfahren. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf auch zustimmen, pragmatisch und undogmatisch, wie Sie uns kennen. Wenn es sinnvolle Regelungen gibt und wenn die Landesregierung etwas richtig macht – und das ist richtig –, dann stimmen wir dem selbstverständlich zu. Letztlich geht es darum, ob es den Betroffenen hilft und ob das eine Verbesserung für die Menschen bedeutet, die davon betroffen sind. Das sind die Beschäftigten an den Hochschulen und die Studierenden.
(Beifall DIE LINKE)
Herr Dr. Büger, ich finde gar nicht uninteressant, was Sie sagen: Einige Regelungen kann man vielleicht beibehalten. – Das finde ich auch. Es ist in der Tat zu überlegen, ob man – dann selbstverständlich in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren – die eine oder andere Änderung im Hessischen Hochschulgesetz festschreibt. Das ist durchaus eine richtige Anregung. Von daher finde ich die demokratietheoretischen Ausführungen, die Sie zum Stellenwert von Parlamenten gemacht haben, abstrakt richtig, aber ich meine, in Bezug auf diesen Gesetzentwurf würde das bedeutet, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Es handelt sich nämlich um einen Gesetzentwurf, dessen Tragweise nicht riesig ist, der vor allen Dingen bei den Betroffenen unstrittig zu sein scheint. Das ist im Zweifel das Entscheidende.
Ich fasse zusammen. Der Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung. Es stimmt: Das sind Regelungen, die wir jetzt treffen müssen, und wir müssen sie schnell treffen, weil wir Rechtssicherheit brauchen. Wir müssten noch viel mehr tun, um die Situation der Studierenden an den Hochschulen zu verbessern. Wir diskutieren morgen weiter, nämlich über die Digitalisierung der Lehre. Wir diskutieren im Rahmen der Haushaltsdebatte über Soforthilfen für Studierende. Hier müssen wir wirklich bei existenziellen Sorgen und Nöten der Studierenden ansetzen, weil sich viele von ihnen im Regen stehen gelassen fühlen und es dringend notwendig ist, dass wir den jungen Menschen, die zufälligerweise in der Corona-Zeit studieren, die Zukunft nicht verbauen. Wir wollen verhindern, dass es eine große Zahl von jungen Menschen gibt, die ihr Studium abbrechen, weil sie ihre Jobs verloren haben und in Existenznot rutschen. Da ist noch einiges zu machen, und in dieser Hinsicht ist der Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung.
(Beifall DIE LINKE)