Die Schuldenbremse war und ist ein Fehler I

In seiner 48. Plenarsitzung am 2. Juli diskutierte der Hessische Landtag zum zweiten Mal darüber, dass die die benötigte 2/3-Mehrheit zur Aussetzung der Schuldenbremse abgeschafft werden soll. Nötig wir dies, da sich die Landesregierung mit Teilen der Opposition nicht auf ein gemeinsames Vorgehen für ein Corona-Hilfspaket einigen konnte. Dazu die erste Rede unserer Vorsitzenden Janine Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Angesichts der großen sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen, die die Corona-Krise ausgelöst hat, hat die Landesregierung zum zweiten Mal beantragt, dass die Schuldenbremse ausgesetzt wird und Kredite aufgenommen werden können. Damit das in Zukunft leichter geht, wollen CDU und GRÜNE die bisher nötige Zweidrittelmehrheit abschaffen und festlegen, dass Schulden nicht mehr innerhalb von sieben Jahren getilgt werden müssen, was finanzpolitisch ohnehin ein ziemlicher Unfug war.

Wir hielten die Schuldenbremse immer für einen Fehler, den es zu korrigieren gilt. Wir haben auch gesagt, dass es keinen Sinn ergibt, eine einfachgesetzliche Regelung zu treffen, dass die Schuldenbremse nur mit einer Zweidrittelmehrheit ausgesetzt werden kann, wenn man nur eine einfache Mehrheit braucht, um das ganze Gesetz zu ändern. Folgerichtig haben wir damals, wie auch SPD und GRÜNE, das Gesetz abgelehnt. Jetzt war die Halbwertszeit dieses Gesetzes deutlich kürzer, als sich das einige bei der Einführung gedacht hatten.

Dass die CDU diesen Fehler jetzt korrigiert, ist okay, aber, ich finde, das sollten Sie jetzt nicht mit einer Blockade durch die Opposition erklären, die es nie gegeben hat; denn der Beschluss war einstimmig.

(Beifall DIE LINKE und Freie Demokraten)

Deswegen ist natürlich ziemlich durchsichtig: Sie brauchen ein Feigenblatt, warum Sie jetzt von Ihrer Politik der schwarzen Null und der Schuldenbremse, die Sie jahrelang propagiert haben, abkehren. Anstatt zuzugeben, dass das vielleicht ein finanzpolitischer und wirtschaftspolitischer Fehler war, versuchen Sie jetzt, SPD und FDP die Schelle umzuhängen und zu sagen, dass die alles blockiert hätten. Wir alle wissen, dass das so nicht stimmt. Räumen Sie doch einfach ein, dass die Schuldenbremse der Realität nicht standhält.

(Beifall DIE LINKE und Freie Demokraten)

Der Bund der Steuerzahler spricht von einem Anschlag auf die Schuldenbremse. Dazu sage ich für uns: Daran beteiligen wir uns gerne. – Der ehemalige FDP-Landesvorsitzende schreibt, man müsse die Erfolge politischer Mitbewerber auch anerkennen. In Hessen erzielt DIE LINKE vielleicht den größten Erfolg jemals in Hessen: CDU und GRÜNE schwenken auf ihren Kurs zur faktischen Abschaffung der Schuldenbremse ein.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, über Anerkennung für unsere Arbeit freuen wir uns natürlich immer. Aber, auch wenn die Argumente der LINKEN und der Gewerkschaften gegen die Schuldenbremse sehr gut und auch richtig sind, so muss man doch feststellen, dass die Schuldenbremse in allererster Linie an der Realität gescheitert ist; nämlich an der ersten schweren Krise, in der deutlich wurde, dass die Schuldenbremse eine Fessel ist und Investitionen erschwert.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb sehen wir die Änderung des Ausführungsgesetzes als einen ersten Schritt hin zum Anfang des Endes der Schuldenbremse, und dem werden wir selbstredend nicht im Weg stehen.

Ich will für meine Fraktion aber auch ganz deutlich sagen, dass wir dieser Landesregierung keinen Meter weit trauen. Aber eine Aushöhlung der Demokratie kann ich nicht darin erkennen, wenn man ein schlechtes, nur mit einfacher Mehrheit beschlossenes Gesetz mit einfacher Mehrheit ändert und es etwas weniger schlecht macht. Abgeschafft ist die Schuldenbremse leider noch lange nicht. Dabei wäre das Eingeständnis, dass die Schuldenbremse gescheitert ist, nur konsequent, wenn sie auf Bundesebene und auf Landesebene komplett abgeschafft würde.

(Beifall DIE LINKE)

Wir erleben den tiefsten wirtschaftlichen Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Millionen Menschen fürchten um ihre Existenz und ihren Arbeitsplatz. Deshalb ist es richtig, dass jetzt investiert wird und dass jetzt Menschen gerettet werden. Das dürfen nicht die sein, die die größte Lobby haben und am lautesten schreien, sondern die Menschen, die in eine soziale Schieflage geraten sind.

In dieser Situation will das Land ein Sondervermögen von 12 Milliarden € auflegen. Ich erinnere mich noch daran, wie wir als LINKE belächelt wurden, als wir bescheidene 1,5 Milliarden € beantragt haben. Aber so ändern sich die Zeiten. Der Finanzminister zitiert jetzt den DGB und bezieht sich auf diesen. Die CDU höhlt die schwarze Null und die Schuldenbremse aus. So ändern sich die Zeiten, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben einen umfangreichen Änderungsantrag zum Sondervermögen formuliert. Wir wollen mehr Geld für Bildung, Investitionen in die Kommunen, einen gut ausgebauten ÖPNV, bezahlbare Wohnungen, Gesundheitsversorgung in der öffentlichen Hand und gut ausgestattete Schulen.

Wir werden uns bei unserem Abstimmungsverhalten heute davon leiten lassen, welche Auswirkungen die Beschlüsse, die wir hier fassen, auf die Lebenssituation der Menschen in diesem Land haben und ob sie eine Verbesserung bedeuten. Viele Menschen sind in existenzieller Not. Sie sind dringend auf Hilfe angewiesen, und sie brauchen schnell Hilfe.

Es ist richtig, dass aus dem Sondervermögen Kulturschaffende, Jugendherbergen, Pflegekräfte, Frauenhäuser, Studierende und Auszubildende unterstützt werden. Es ist auch richtig, dass es mehr Geld für Hessen-Forst gibt und Schritte in Richtung eines ökologischen Umbaus gegangen werden. Auch wenn diese Maßnahmen uns nicht weit genug gehen und nicht der große Wurf sind, der notwendig wäre, um die Gesellschaft nach der Krise sozialer, gerechter und ökologischer zu machen, werden wir diese Maßnahmen nicht ablehnen.

In dieser Krise zeigen sich Probleme, die seit vielen Jahren Bestand haben. Wie lange diskutieren wir schon über den Pflegenotstand? Wie lange diskutieren wir schon über den maroden Zustand der Schulen? In der Krise sind die sozialen Unterschiede noch deutlicher geworden. Deswegen brauchen wir jetzt Maßnahmen, um zu investieren und um die Situation der Menschen zu verbessern, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Am Ende ist die Frage entscheidend, wer für diese Krise zahlt. Diese Krise darf nicht dazu führen, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in diesem Land noch weiter auseinanderdriften und noch ungerechter werden. Es ist richtig, jetzt Kredite aufzunehmen. Wir müssen aber auch über die Frage reden, wer das am Ende bezahlt. Deshalb haben wir den Vorschlag gemacht, eine einmalige Vermögensabgabe zu erheben. Diese Krise sollte auch für eine gerechtere Steuerpolitik genutzt werden.

(Zurufe)

Diese Krise darf nicht abgewälzt werden auf die Menschen, denen es schon vor der Krise nicht gut ging und die in dieser Krise massive Einkommensverluste erlitten haben und sich nun um ihre Existenz sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)